Zwei Abspaltungen von der katholischen Kirche "nach rechtsaußen" beschäftigen derzeit Kirchenspezialisten und Vatikan-Beobachter.
Die eine betrifft eine Gruppe von Nonnen in Nord-Spanien. Der Bischof von Burgos, Mario Iceta, hat sie unlängst aus der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen. Zuvor hatten sie sich dem seit 2019 exkommunizierten spanischen "Bischof" Pablo de Rojas Sanchez-Franco angeschlossen.
Der selbst ernannte Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches gründete 2005 die "Fromme Vereinigung des Heiligen Paulus" - ein exotisches Sammelbecken für Verschwörungstheoretiker und Autoritätenleugner.
Warum genau die spanischen Klarissen sich neuerdings an ihm orientieren, ist nicht ganz klar. Möglicherweise geht es nicht nur um Glauben und Gehorsam, sondern auch um Geld. Auch ist noch nicht bis ins Letzte geklärt, welche zivil- und kirchenrechtlichen Folgen die Exkommunikation der Ordensfrauen haben wird.
Interessant aber ist ihre öffentliche Ansage, dass sie den Schritt des Bischofs von Burgos nicht anerkennen und sich in keiner Weise dem kirchenrechtlichen Verfahren stellen wollen. Zur Begründung geben sie an, dass sie die Legitimität der "Bergoglio-Kirche" schlicht ablehnen.
Vigano droht Exkommunikation
An diesem Punkt treffen sie sich mit einem anderen, recht prominenten Exkommunikanden, dem langjährigen Apostolischen Nuntius in den USA, Erzbischof Carlo Vigano (83). Auch dieser lehnt das kirchenrechtliche Verfahren, das zu seiner Exkommunikation angestrengt wurde, rundweg ab. Auch er bestreitet die Rechtgläubigkeit und zugleich auch die Rechtmäßigkeit der "Bergoglio-Kirche".
Vigano war vom Glaubensdikasterium mit Schreiben vom 11. Juni aufgefordert worden, persönlich dort zu erscheinen und die gegen ihn vorliegenden Anschuldigungen und Beweise zur Kenntnis zu nehmen, wonach er die Legitimität von Papst Franziskus öffentlich leugne und deshalb die kirchliche Gemeinschaft verlassen habe.
In seiner Antwort erklärte er am 21. Juni über Soziale Netzwerke: "Ich habe nicht die Absicht, am 28. Juni zum Heiligen Offizium zu gehen und ich habe dem Dikasterium, dessen Autorität ich nicht anerkenne, keine Erklärung oder ein Dokument zu meiner Verteidigung übergeben. Die Autorität seines Präfekten erkenne ich nicht an, und auch nicht die Autorität desjenigen, der ihn ernannt hat. Ich habe nicht die Absicht, mich einem Schauprozess zu unterwerfen, in dem diejenigen, die unparteiisch über mich urteilen sollten, um die katholische Rechtgläubigkeit zu verteidigen, gleichzeitig diejenigen sind, die ich der Ketzerei, des Verrats und des Machtmissbrauchs beschuldige."
Piusbrüder distanzieren sich
Die ebenfalls traditionalistische, aber mit Rom noch immer halbwegs verbundene Gemeinschaft der Piusbrüder, distanzierte sich am selben Tag in einer Stellungnahme von Vigano. In ihrer Mitteilung heißt es: "Weder Erzbischof Lefebvre noch die von ihm gegründete Bruderschaft haben es jemals akzeptiert, sich auf dieses Terrain zu wagen."
Mit "diesem Terrain" ist offensichtlich das abschüssige Gelände des Sedisvakantismus gemeint. Dort sind - in unterschiedlichen Varianten - etliche Einzelpersonen und Gruppen unterwegs, die dem derzeit im Vatikan residierenden Papst die Rechtgläubigkeit und/oder die Legitimität absprechen.
Doch während die "klassischen Sedisvakantisten" davon ausgehen, dass es seit dem Zweiten Vatikanum und seinen "modernistischen Irrlehren" keinen legitimen Petrusnachfolger mehr gebe, hat Vigano eine neue Spielart des Papstleugnens eingeführt. Er lässt sich nicht auf die Frage ein, seit wann der Stuhl Petri vakant sei, sondern begnügt sich damit, die Legitimität von Franziskus zu bestreiten.
Neue Negationsstrategie
Franziskus, so das neue Narrativ, sei schon deshalb kein rechtmäßiger Papst, weil er selbst das Papstamt nur unvollständig angenommen habe. Deshalb fehle ihm der Lehr- und Jurisdiktionsprimat für die gesamte Kirche.
Die neue Negationsstrategie macht aus Viganos Sicht durchaus Sinn: Da er selbst einst im Auftrag von Benedikt XVI. arbeitete und dessen Legitimität nie bestritt, wäre es für Vigano schwierig gewesen, die "klassische" Sedisvakantisten-Überzeugung zu übernehmen, wonach alle Päpste seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) modernistische Häretiker und somit keine gültigen Päpste waren. Denn dieses Verdikt würde dann auch auf Benedikt XVI. zutreffen.
Mit der neuen Negations-Strategie, die offenbar auch die rebellischen Nonnen in Spanien übernommen haben, ergeben sich am rechten Rand der katholischen Kirche neue Möglichkeiten: Man muss kein radikaler Sedisvakantist werden, um die Legitimität des amtierenden Papstes zu bestreiten. Und man muss auch nicht bei den gemäßigteren Piusbrüdern andocken, die trotz aller Kritik an der Linie von Papst Franziskus diesen dennoch als Papst akzeptieren und für ihn in der Messe beten.
Vielmehr könnten sich unter dieser neuen Variante des Traditionalismus jene sammeln, die Benedikt XVI. - auch wegen seiner Wertschätzung für die Alte Messe - für einen akzeptablen Papst hielten, den theologischen, liturgischen und ekklesiologischen Kurs von Franziskus aber für katastrophal halten.
Bildet sich ein neues Sammelbecken?
Es ist möglich, dass sich hier ein neues Sammelbecken bildet. In ihm könnten bald auch jene Traditionalisten ihren Platz finden, die sich in der "Bergoglio-Kirche" nicht mehr willkommen fühlen, falls Papst Franziskus - wie von manchen Beobachtern vorhergesagt - demnächst ein strenges Verbot der Alten Messe durchsetzt.
Dass diese Entwicklungen um Vigano im Vatikan mit einer gewissen Sorge gesehen wird, machte auch Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin deutlich. Er kommentierte am vergangenen Donnerstag am Rande eines Vortrags an der Päpstlichen Universität Urbaniana die jüngsten Vorgänge um Vigano mit den Worten: "Vigano hat einige Haltungen eingenommen, wegen derer er sich verantworten muss. Es ist normal, dass das Glaubensdikasterium die Sache in die Hand genommen hat."
Und dann fügte er einige persönliche Sätze über seinen früheren Spitzendiplomaten hinzu: "Ich bedaure das außerordentlich. Ich habe ihn immer als eifrigen Mitarbeiter geschätzt, der dem Heiligen Stuhl treu ergeben war. In mancher Hinsicht war er sogar vorbildlich. Als Apostolischer Nuntius hat er außerordentlich gut gearbeitet. Ich weiß nicht, was passiert ist."