DOMRADIO.DE: Weit über 1.000 Tore hat er geschossen. Dreimal ist er mit Brasiliens Nationalelf Weltmeister geworden. Das sind kaum einholbare Rekorde. Was hat ihn als Spieler so außerordentlich gemacht?
Thorsten Kapperer (Würzburgs Beauftragter für Kirche und Sport und geistlicher Beirat des DJK): Das kann man vielleicht nicht ganz mit der heutigen Zeit vergleichen. Das war eine andere Zeit. Was zeitlos bleibt, ist diese Technik, die er hatte, diese Komplettheit als Fußballer, alle Techniken des Fußballs nahezu in Perfektion zu beherrschen. Er hat das selber als Gabe gesehen. Das findet man ganz, ganz, ganz selten in dieser Kompaktheit als Fußballer.
DOMRADIO.DE: Ausnahme-Fußballspieler gibt es immer wieder, Maradona zum Beispiel oder Messi. Was hat Pelé über das Kicken hinaus so unvergleichbar gemacht?
Kapperer: Er war wahnsinnig erfolgreich. Er war auch sehr treu. Bei zwei Vereinen hat er in seinem ganzen Leben gespielt. Auch das kann man nicht mit heute vergleichen. Erst war er beim FC Santos und später dann bei New York Cosmos. Er hat sich immer in den Dienst der Mannschaft gestellt und unzählige Tore geschossen. In 1.390 Spielen schoss er 1.301 Tore. Das ist fast eine Quote von Eins-Komma-Null. Das ist absoluter Wahnsinn.
Dieser Erfolg und dieser Torinstinkt – beim Fußball geht es, neben den vielen anderen Dingen, die wichtig sind, halt nun mal oft und letztlich um die Tore – sind das Entscheidende und da war er einfach unschlagbar.
DOMRADIO.DE: Brasilianer verehren ihn wie einen Heiligen. Können Sie das nachvollziehen?
Kapperer: Ja, auf jeden Fall. Wobei ich auch schon ambivalente Stimmen gehört habe. Er hat in seinem Privatleben mal uneheliche Töchter nicht anerkannt. Das soll jetzt nicht seinen Erfolg und seine Person schmälern, aber er wird in Brasilien durchaus ein wenig ambivalent betrachtet.
Mich beeindruckt, dass all die Menschen, die mit ihm viel zu tun hatten, sich jetzt unisono geäußert haben, dass er wirklich ein sehr, sehr freundlicher Mensch gewesen ist. Solche privaten Turbulenzen erden ihn ja auch als Menschen.
Ich glaube, da ging es ihm wie vielen anderen auch. Er kam in Brasilien aus ganz einfachen Verhältnissen und war als Fußballer absolut überhöht, aber als Mensch war er einer wie wir. Ich denke, das hat ihn wahnsinnig ausgezeichnet.
DOMRADIO.DE: In den Nachrufen ist jetzt von Inspiration und von der Liebe zu lesen, die er verströmte. Inwieweit ist Pelé auch ein Vorbild für die nachfolgende Generation?
Kapperer: Von den Bildern aus dem Fernsehen, wie er sich auf dem Spielfeld bewegt hat und auch von den Berichten der Menschen, die ihn erlebt haben, weiß man, dass er eine große Aura hatte. Und das ist beim Fußball unglaublich wichtig. Nicht nur das technische Können, die Fähig- und Fertigkeiten, die man braucht, sondern auch die Art, die man ausstrahlt.
Diese Aura muss er gehabt haben und die dann natürlich in Verbindung mit den Erfolgen, die er hatte, auch ausgestrahlt haben. Erfolg macht sexy, sagt man ja. Diese Ausstrahlung hat er sich er arbeitet.
Dazu kam die Lust am einfachen Fußballspielen, die er sich nie nehmen ließ.
DOMRADIO.DE: Wie hat er das geschafft, so weit zu kommen? Die Voraussetzungen als Kind waren nicht gerade die besten.
Kapperer: Ronaldo (Brasilianischer Fußballstar, Anm. d. Red.) hat mal gesagt: "Es nützt alles Talent nichts, wenn man nicht hart arbeitet." Er ist auch einer, dem viel gegeben war.
Pelé hat es mal so ausgedrückt: "Arm, reich, hässlich oder schön, für Gott sind alle Menschen gleich. Warum er ausgerechnet mir diese Gabe geschenkt hat, weiß ich nicht."
Ich bin mir aber sich, dass auch diese Disziplin und dieser unbändiger Wille, immer wieder Erfolg zu haben, ihn ganz außerordentlich gemacht haben.
DOMRADIO.DE: Was werden Sie von ihm in Erinnerung behalten?
Kapperer: Diese fußballerische Kunst und diese menschliche Ausstrahlung. Die bleiben mir gerne in Erinnerung.
Das Interview führte Dagmar Peters.