Sportbischof Oster sieht Parallelen von Fußball und Kirche

"Es gibt gemeinsame Bezüge"

Der Passauer Bischof Stefan Oster ist auch Sportbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz. Er feiert vor der Eröffnung der Fußball-EM den ökumenischen Gottesdienst. Und blickt vorab schon auf Parallelen zwischen Fußball und Kirche.

Bischof Dr. Stefan Oster SDB mit Fußball / © Susanne Schmidt (Bistum Passau)
Bischof Dr. Stefan Oster SDB mit Fußball / © Susanne Schmidt ( Bistum Passau )

DOMRADIO.DE: Sie können sich sicher gut an die Euphorie damals 2006 zur WM erinnern. Wie ist es im Moment bei Ihnen? Ist die Aufregung und Vorfreude auf die EM genauso groß?

Der EM-Pokal steht während einer Präsentation im Berliner Olympiastadion, dem Austragungsort des Endspiels.  / © Sebastian Gollnow (dpa)
Der EM-Pokal steht während einer Präsentation im Berliner Olympiastadion, dem Austragungsort des Endspiels. / © Sebastian Gollnow ( dpa )

Stefan Oster (Sportbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz und Bischof von Passau): Ehrlich gesagt nicht mehr ganz so. Tatsächlich war es ja 2006 so, dass das im Laufe der WM erst gewachsen ist. Ich kann mich erinnern, dass die Deutschen damals gegen Costa Rica ein feuriges Eröffnungsspiel hingelegt haben und auf einmal war die Nation dabei. Dann war auch noch tolles Wetter und es gab das erste Mal großflächig Public Viewings. Auf einmal hat sich da eine Stimmung breitgemacht, die wunderbar war. Die Ergebnisse zuvor waren ja für unsere Mannschaft eher schlecht und wenig aussichtsreich.

DOMRADIO.DE: In Deutschland gibt es gerade eine enorme Fußballeuphorie, wie ich finde. Endlich will man gegen all die Krisen unserer Zeit ein unbeschwertes, großes gemeinsames Fest feiern. Besteht da nicht auch ein bisschen die Gefahr, dass diese Euphorie, die ja fast schon ein Erlösungswunsch ist, enttäuscht werden könnte?

Oster: Wenn Sie das so wahrnehmen. Ich nehme es ehrlich gesagt nicht ganz so wahr. Am Ende geht es doch nur um Fußball, wenngleich Fußball etwas unglaublich Völkerverbindendes hat. Das sehen wir auch bei den großen Ereignissen. Aber am Ende ist es ein Sportereignis und es schafft uns die Probleme, die wir in Europa oder in unserer Gesellschaft haben, nicht einfach vom Hals..

DFB-Meisterschale / © HB Photo (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Fußballgottesdienste sind für Sie nichts Neues. Erst vor ein paar Wochen haben Sie in Berlin den Gottesdienst zum DFB-Pokalfinale gefeiert. Die EM ist aber doch noch mal was anderes, oder?

Oster: Ja, das ist noch mal was anderes. Das ist doch eine Nummer größer, auch wenn so ein Pokalfinale auch etwas ganz Besonderes hat. Alle Vereine innerhalb von Deutschland wollen nach Berlin und dann schaffen es zwei. Das ist zumindest für die Fans was ganz Großes.

Stefan Oster

"Wir brauchen in bestimmter Hinsicht Einheit in Europa und hoffentlich kann der Fußball auch ein Teil dazu beitragen."

DOMRADIO.DE: Den Gottesdienst feiern Sie gemeinsam mit dem evangelischen Sportbeauftragten Thorsten Latzel. Das Motto wird "United", also vereint, verbunden lauten. Warum haben Sie dieses Motto gewählt?

Oster: Wir haben nun erst die Wahlen für das Europaparlament gehabt. Wir sehen, dass sich auch Europa immer wieder neu bewusst machen muss, warum es zusammengehört, warum wir miteinander unterwegs sind, warum die Demokratien in Europa kostbare Errungenschaften sind und gestärkt werden müssen. Wir brauchen in bestimmter Hinsicht Einheit in Europa und hoffentlich kann der Fußball auch ein Teil dazu beitragen.

DOMRADIO.DE: Und dann auch zu vielen Begegnungen der Menschen führen, der Fans aus allen Ländern. Aber Sie beten nicht für einen Gewinn der deutschen Mannschaft, oder?

Oster: Nein. Da sage ich immer "Gott liebt auch die Armen und die Schwachen", vielleicht die sogar besonders. Deswegen glaube ich nicht, dass Gott im Blick auf Fußball automatisch parteiisch wäre. 

Wir hoffen, dass die Mannschaft gewinnt, die am besten spielt und vielleicht auch deren Fans durch ihre Begeisterung am meisten Unterstützung bringen. Das pusht die Mannschaften auch und immer. Ich hoffe, dass unsere Mannschaft dann auch eine Chance hat.

Stefan Oster

"Ich habe dann die Fans gefragt: Glaubt ihr an Gott? Sie haben sofort angefangen zu singen: Alex Meier, Fußballgott."

DOMRADIO.DE: "Toni Turek, Fußballgott." Das war 1954 der Ausruf eines Reporters. Seitdem gibt es ja immer wieder diese Fußballgötter. Was halten Sie davon?

Oster: (lacht) Das war echt eine kuriose Geschichte. Ich habe mit Thorsten Latzel letztes Jahr auch schon den Gottesdienst vor dem DFB-Pokalfinale gefeiert. Wir sind dann noch mal raus vor die Kirche. Da gab es eine Bühne. Wir wollten Fans einladen, zum Gottesdienst zu kommen. Da standen wir schon in liturgischer Gewandung da. Ich habe die Fans dann gefragt, ob sie an Gott glauben. Und sie haben sofort angefangen zu singen: "Alex Meier, Fußballgott". Das ist ein ehemaliger Profi von Eintracht Frankfurt, den Sie offensichtlich lieben. Das fand ich ziemlich lustig. 

Es gibt gemeinsame Bezüge. Es gibt ja auch Studien, die versuchen eine Verbindung zwischen Liturgie feiern und Fußballfeste feiern herzustellen. Es gibt Fußballchoreografien mit Gesängen, sie feiern die Helden auf dem Rasen. Das sind ihre Heiligen. Es gibt da tatsächlich genügend Parallelen.

Aber bei uns geht es um Gott und darum, dass wir darum beten, dass der Segen Gottes über friedliche Spiele kommen möge.

DOMRADIO.DE: Fußball mag viele der Rituale übernommen haben, aber Religion, Glaube und Christentum hat dann doch schon noch mal eine andere Dimension.

Das Olympiastadion in Berlin ist für die UEFA EURO 2024 geschmückt. / © Christophe Gatea (dpa)
Das Olympiastadion in Berlin ist für die UEFA EURO 2024 geschmückt. / © Christophe Gatea ( dpa )

Oster: Natürlich. Man kann schon an Vergemeinschaftung von Mannschaften, an Trainerpersönlichkeiten Parallelen ziehen, eben weil wir als Volk Gottes auch Gemeinschaft und auch verleibte Gemeinschaft sind.

Gerade wir Katholiken sagen ja auch, dass wir Leib Christi sind und haben auch eine sinnliche Betonung auf diesen Aspekt der Gemeinschaft. Da gibt es schon Parallelen. Aber wir wollen natürlich gerade zeigen, dass das, was uns zusammenführt, nicht nur innerweltlich ist, sondern über diese Welt hinausreicht.

DOMRADIO.DE: Und so weit geht es dann ja nicht, sonst wären Sie womöglich noch als Trainer von Bayern München im Gespräch gewesen.

Oster: (lacht) Um Gottes Willen! Dafür fehlt mir am Ende dann doch der Fußballsachverstand.

Stefan Oster

"Am Ende geht es um die Mannschaftsleistung und um den Spirit, der da reinkommt."

DOMRADIO.DE: Werden Sie das Eröffnungsspiel Deutschland gegen Schottland auch schauen?

Oster: Ich habe an dem Abend noch eine große Veranstaltung in Altötting, einen Kongress, wo es ums Beten geht. Aber mal schauen, wie weit wir bis zum Spiel sind und ob da noch ein bisschen Zeit bleibt, ins Spiel hineinzugucken. Es interessiert mich natürlich schon.

DOMRADIO.DE: Ihr Tipp für die Europameisterschaft: Wie wird die deutsche Mannschaft abschneiden?

Oster: Ich hoffe, sie kommen bis ins Halbfinale. Und wenn sie dann mal im Halbfinale sind, dann ist alles möglich. Aber von der Papierform würde ich sagen, dass Frankreich und England vielleicht doch einen Tick stärker sind. Aber man weiß nie. Am Ende geht es um die Mannschaftsleistung und um den Spirit, der da reinkommt. Deutschland gilt immer wieder mal als Turniermannschaft. Das ist so ein alter Mythos. Also vielleicht kriegen sie doch die Kurve.

Das Interview führte Johannes Schröer. 

Quelle:
DR