Polens Regierung setzt Abtreibungsverbot in Kraft

Staat und Kirche Kritik ausgesetzt

Das Gesetz gilt nun offiziell und hat eine neue Protestwelle ausgelöst. In zahlreichen polnischen Städten sind Hunderte Menschen gegen das von der Regierung in Kraft gesetzte fast vollständige Abtreibungsverbot auf die Straße gegangen.

Demonstration von Abtreibungsbefürwortern in Polen (Archiv) / © Salvatore Allotta (shutterstock)
Demonstration von Abtreibungsbefürwortern in Polen (Archiv) / © Salvatore Allotta ( shutterstock )

Laut örtlichen Medienberichten waren die Demonstranten am Mittwochabend in Warscheu und anderen polnischen Städten unterwegs. Angesichts einer Protestwelle hatten die regierenden Nationalkonservativen die Veröffentlichung eines umstrittenen Verfassungsgerichtsurteils vom 22. Oktober im Gesetzblatt bis zum Mittwoch hinausgezögert.

Erst durch die Publikation im Amtsblatt wurde der vom höchsten Gericht für verfassungswidrig erklärte Passus aus dem geltenden Abtreibungsgesetz gestrichen, der Schwangerschaftsabbrüche bei einer schweren Fehlbildung oder Krankheit des Fötus erlaubte. Abtreibungen sind damit nur noch legal, wenn die Gesundheit der Schwangeren in Gefahr ist oder die Schwangerschaft das Ergebnis einer Straftat ist.

Die Bewegung "Frauenstreik" hatte zu Demonstrationen vor dem Verfassungsgericht in Warschau und in weiteren Städten aufgerufen.

Proteste auch gegen die Kirche

Allein in der Hauptstadt schlossen sich nach Schätzungen mehr als 1.000 Menschen dem Protestzug an. Der liberale Warschauer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski warf der Regierung auf Facebook vor, mit der Veröffentlichung des "Pseudourteils des Pseudogerichts gegen die Mehrheit der Polinnen und Polen" dem Staat bewusst zu schaden.

"Es gehen nicht nur Frauen auf die Straße, es ist die ganze Nation, die genug davon hat", erklärte der ehemalige Präsidentschaftskandidat.

Bereits direkt nach dem Abtreibungsurteil hatte es mehrere Wochen im ganzen Land große Protestkundgebungen gegeben. Sie richteten sich auch gegen die Regierung und die katholische Kirche, die für den Richterspruch verantwortlich gemacht wurden.

Mehr als 100 Abgeordnete vor allem der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatten den Passus des seit 1993 geltenden Abtreibungsgesetzes beim Verfassungsgericht angefochten. Die Richter erklärten ihn für unvereinbar mit Artikel 38 der Verfassung. Er lautet: "Die Republik Polen gewährleistet jedem Menschen rechtlichen Schutz des Lebens." Bischöfe hatten ein totales Abtreibungsverbot gefordert und das Urteil gelobt.

EU-Parlament verurteilte Richterspruch

2019 fielen fast alle registrierten Abtreibungen laut offizieller Statistik unter das für verfassungswidrig erklärte Kriterium der schweren Fehlbildung oder Krankheit des Fötus: 1.074 von insgesamt 1.100. Anlass für die Veröffentlichung des Urteils nach mehr als drei Monaten im Gesetzblatt ist, dass das Verfassungsgericht am Mittwoch die Begründungen des Richterspruchs und der Sondervoten veröffentlichte. Eigentlich hätte die Gerichtsentscheidung unverzüglich publiziert werden müssen.

Staatspräsident Andrzej Duda wollte die Gesetzesverschärfung abmildern. Er schlug dem polnischen Parlament im Herbst vor, Schwangerschaftsabbrüche zu erlauben, wenn es laut medizinischer Diagnose wahrscheinlich ist, dass das Kind totgeboren werde oder so krank sei, dass es trotz Behandlung "unweigerlich" gleich nach der Geburt sterbe. Die Regierungspartei ringt in der Frage aber noch um ihren Kurs.

Das EU-Parlament hatte den Richterspruch mit 455 gegen 145 Stimmen "auf das Schärfste" verurteilt. Er bedeute einen Rückschlag für Frauenrechte in Polen und setze "die Gesundheit und das Leben von Frauen aufs Spiel", hieß es in einer Entschließung. Das Urteil führe zu einer größeren Zahl an illegal und unter gefährlichen Bedingungen heimlich durchgeführten Abtreibungen.


Quelle:
KNA
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