Stadt Köln nimmt Genehmigungen für verkaufsoffene Sonntage zurück

Zeit für Gott und die Welt

Im Streit um verkaufsoffene Sonntage will die Stadt Köln vorerst alle Genehmigungen für 2017 zurückziehen. Hannelore Bartscherer vom Kölner Katholikenausschuss spricht sich im domradio.de-Interview für den Schutz des Sonntags aus.

Buntes Treiben in der Fußgängerzone / © Sven Hoppe (dpa)
Buntes Treiben in der Fußgängerzone / © Sven Hoppe ( dpa )

domradio.de: Sie sind vermutlich sehr zufrieden mit der Entscheidung. Was ist eigentlich so schlimm daran, wenn die Menschen auch sonntags shoppen gehen wollen? 

Hannelore Bartscherer (Vorsitzende des Kölner Katholikenausschusses):  Diese Entscheidung tut den Menschen in Köln gut. In der Werbung wird in den letzten Jahren zunehmend vermittelt, dass die Freizeitbeschäftigung an einem Sonntag, das Shoppen gehen sein soll. Es grenzt viele Menschen aus, die sich gar nicht leisten können, als Freizeitbeschäftigung Shoppen, Kommerz und Konsum zu ihrem Höchsten zu erklären. Man braucht einen verlässlichen planbaren freien Tag in der Woche, der frei ist von Erwerbstätigkeit ist. Somit lässt dieser Tag die Möglichkeit zu, Zeit für Gott und die Welt, für Hobbies, zum Entspannen und zum Auftanken zu haben. Nicht umsonst gibt es die Sieben-Tage-Woche mit sechs Tagen Werktag und einem freien Tag. Indem wir den Sonntag als siebten Tag auch zu einem Werktag machen, machen wir etwas falsch, denn es tut gut, einen freien Tag in der Woche zu haben.

domradio.de: Der Einzelhandel sagt, er müsse sich zunehmend gegen den Online-Handel durchsetzen und den Menschen das Shoppen so schmackhaft wie möglich machen. Andernfalls gehen vielleicht immer mehr Geschäfte pleite und Jobs verloren. Können Sie dieser Argumentation folgen?              

Bartscherer: Diese Argumentation halte ich für falsch. Aus meiner eigenen Erfahrung heraus glaube ich nicht, dass Menschen, die sonntags nicht einkaufen können, mehr im Internet kaufen. Die Menschen kaufen beliebig im Internet. Sie gehen sonntags noch einmal in das Geschäft, um sich genau anzusehen, wie die Ware aussieht und um die Kennnummern zu notieren, und kaufen dann online, weil es dort in der Regel preiswerter ist. Wir machen uns etwas vor, indem wir sagen, dass die Einzelhändler das wollen. Nur die großen Ketten, die "global player", wollen das, weil sie letztlich auch davon profitieren. Die kleinen Einzelhändler, in den Innenstädten, müssen zusätzliches Personal einstellen oder es innerhalb der Familie stemmen, an einem Sonntag zusätzliche fünf Stunden zu arbeiten. Unterm Strich kommt dabei nicht genug heraus. Kurz gesagt: Ich halte es für eine gute Entscheidung, jetzt zu sagen, dass der Sonntag nicht mehr verkaufsoffen ist. Die Wirtschaft wird nicht leiden, denn die sonntäglichen Ladenöffnungen sind entstanden, als es ein Ladenschlussgesetz gab, bei dem die Geschäfte unter der Woche um 18:30 schließen mussten. Mittlerweile haben wir kein Ladenschlussgesetz mehr, sondern nur noch ein Ladenöffnungsgesetz, und in Nordrhein-Westfalen können Geschäfte an sechs Tagen in der Woche 24 Stunden geöffnet haben. Wir brauchen fünf Stunden am Sonntag nicht.

domradio.de: Wenn die ganze Familie am Sonntag zusammen shoppen geht, sehen Sie das nicht als sinnvolle gemeinsame Aktivität?

Bartscherer: Dieses Argument kann ich nachvollziehen, aber ich finde es falsch. Ich halte dagegen und sage: Wenn es die gemeinsame Familienaktivität ist, an einem Sonntag shoppen zu gehen, dann sollte man sich überlegen, wie viel mehr alle davon hätten, wenn sonntags eine Familie miteinander etwas tut, das nicht konsumorientiert ist. Ich glaube nicht, dass eine Familie mit Kindern es entspannt findet, in einem Kaufhaus einkaufen zu gehen. 

domradio.de: Ist Köln in puncto Ladenöffnungszeiten eigentlich ein Sonderfall oder gibt es die Tendenz zu immer mehr verkaufsoffenen Sonntagen auch in anderen Städten und Regionen Deutschlands? 

Bartscherer: Köln hat in NRW eine Sonderstellung. Es sind hier die meisten Öffnungszeiten genehmigt worden, weil Köln als Millionenstadt so viele Stadtteile hat, die für sich die vom Gesetz gegebene Möglichkeit in Anspruch nehmen, an einem Sonntag zu öffnen.  Wenn aber in einem Stadtteil die Geschäfte sonntags geöffnet werden, wird darauf geachtet, dass im Stadtteil nebenan die Geschäfte dann auch geschlossen bleiben.

domradio.de: In der Verfassung ist der arbeitsfreie Sonntag verankert. Wenn Geschäfte trotzdem öffnen wollen, muss es zum Beispiel ein Volksfest oder eine Messe geben. Sind Sie grundsätzlich gegen verkaufsoffene Sonntage?

Bartscherer: Grundsätzlich sind wir als Vorstand im Katholikenausschuss gegen verkaufsoffene Zeiten an einem Sonntag. Das braucht die katholische Kirche nicht. Das, was wir zusammen mit dem evangelischen Stadtkirchenverband und anderen Verbänden als Kölner Allianz für den freien Sonntag ins Leben gerufen haben, kämpft seit Jahren dafür, dass das Geschäft am Wochenende geschlossen wird.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR