DOMRADIO.DE: Nach Bonn und Berlin jetzt Düsseldorf – hätten Sie damit gerechnet?
Pfarrer Monsignore Ulrich Hennes (Stadtdechant von Düsseldorf): Im Augenblick passiert hier an vielen Stellen so einiges, womit wir eigentlich in den vergangen Jahren nicht gerechnet hätten. Wir merken, dass der Terror nähergekommen ist und dass sich unsere Gesellschaft auch im äußeren Erscheinungsbild ändert. Insofern ist das nicht ganz überraschend. Dennoch ist es nicht zu tolerieren und absolut daneben, was in unserer Stadt passiert.
DOMRADIO.DE: Düsseldorf als Landeshauptstadt des bevölkerungsreichsten Bundeslandes galt bislang immer als relativ weltoffen. Viele Nationen kommen hier zusammen, es gibt zum Beispiel eine große japanische Gemeinschaft. Verursacht dieses "Multikulti" nun doch Probleme?
Hennes: Zunächst einmal gibt es ein sehr gutes Miteinander in unserer Stadt. Wir reden ja nicht von solchen Ausnahmefällen wie am vergangenen Wochenende, sondern eigentlich reden wir von einem guten Miteinander der Nationen und Kulturen, die in Düsseldorf traditionell schon sehr lange zusammenleben. Das ist nicht erst so, seitdem hier auch andere Kulturen aus dem asiatischen Raum Heimat gefunden haben. Sondern das hat nun wirklich seit der Nachkriegszeit und seit den 1960er Jahren eine lange Tradition, als die sogenannten Gastarbeiter zu uns gekommen sind.
Wir haben auch eine große griechische Community, die zweitgrößte Deutschlands, die in Düsseldorf lebt. Es ist ein sehr, sehr gutes Miteinander. Die Weltoffenheit dieser Stadt ist durch die Ereignisse des letzten Wochenendes überhaupt nicht in Frage gestellt. Sondern hier haben wir ein sehr gutes, ein sehr gepflegtes Miteinander durch die Wissenschaft, durch die Kultur, durch die Kunst, durch die Musik. Das wird hier alles sehr gefördert, von daher kann ich wirklich von einer Vorzeige-Stadt sprechen.
DOMRADIO.DE: Aber?
Hennes: Das "Aber" würde ich erst mal gar nicht formulieren. Nur manchmal haben wir in der Tat mit manchen Leuten zu tun, wo sich die Situation verändert hat. Da geht es nicht nur um Ausländer oder um Leute aus dem nordafrikanischen Raum. Wir haben es hier auch mit einem Schmelztiegel von Leuten aus unterschiedlichen Bereichen zu tun. Dazu gehören aber auch in Deutschland aufgewachsene und geborene Menschen, die eine Stadt wie Düsseldorf für verschiedenste Aktivitäten nutzen.
Wenn ich alleine an das denke, was sich am Wochenende in der Düsseldorfer Altstadt abspielt, ähnlich wie in Köln, nämlich die vielen Junggesellenabschiede, die hier stattfinden oder die Feiermentalität, die sich gerade in der sehr engen und kleinen Düsseldorfer Altstadt abspielt, ist es für die Anwohner und die Düsseldorfer, die hier friedlich langlaufen wollen, auch nicht immer nur angenehm.
DOMRADIO.DE: Der Umgang mit Juden ist in Deutschland ein sehr sensibles Thema. Jahrzehntelang war es in dem Zusammenhang überwiegend friedlich. Was hat sich in den vergangenen Jahren verändert?
Hennes: Das fällt mir schwer zu beantworten. Hilfreich ist vielleicht noch mal hinzuschauen, durch wen es passiert ist. Sowohl in Bonn als auch hier haben wir offenbar mit Menschen mit einem Hintergrund zu tun, wo ein anti-israelischer Hass da ist. Es hat vielleicht gar nichts so sehr mit Religion zu tun, als vielmehr mit der gesamtpolitischen Situation des Vorderen Orients und der Staatlichkeit Israels und dem Anspruch Israels auf den eigenen Staat und die Anerkennung dieses Rechtes. Was dann durch manche, wenige Menschen, die zu uns gekommen sind, hier herüberschwappt.
Das ist, glaube ich, nicht zunächst das Thema unseres Landes, sondern der Menschen, die aus anderen Zusammenhängen ihres Lebens im Orient mit dem Thema zu uns kommen.
DOMRADIO.DE: Wie arbeiten Sie auf Stadt-Ebene mit den unterschiedlichen Religionen zusammen?
Hennes: Ich bin zurzeit der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen. Wir haben einen sehr guten Kontakt zur jüdischen Gemeinde. Wir haben uns hier solidarisiert mit den Muslimen und den Juden, die eine Erklärung abgegeben haben - in der Rheinischen Post veröffentlicht - wo sie sich von religiöser Gewalt und Gewalt an Christen, Juden und Muslimen distanzieren. Wir haben eine Initiative eines gemeinsamen Karnevalswagens in der Überlegung, wo wir als Christen, als Muslime und als Juden gemeinsam auf einem Karnevalswagen beim nächsten Rosenmontagszug stehen. Also es gibt sehr enge und gute Kontakte zueinander.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.