DOMRADIO.DE: Die Domwallfahrt hat in diesem Jahr vor allem optisch für Aufsehen gesorgt mit einer riesigen Illumination auf dem Dom. Wie kam es dazu?
Monsignore Robert Kleine (Stadtdechant von Köln): Wir haben überlegt, wie kann das Thema "Gib uns Frieden", das im Zusammenhang mit dem Kriegsende 1918 steht, deutlicher werden – nicht nur im Dom, sondern auch außerhalb. Wir haben zu unterschiedlichsten Anlässen Anfragen gehabt, den Dom in verschiedenen Farben anzustrahlen. Wir haben im Domkapitel immer gesagt, der Dom ist eigentlich keine Plakatwand. Aber in die Überlegung hinein kam, dass wir Inhalte vermitteln können. Wir haben dann eine Firma beauftragt, die Botschaft des Grauens, des Krieges und der Hoffnung, wie Krieg verhindert und Unfrieden beseitigt werden kann, auf den Dom zu bringen. Das ist ja ein voller Erfolg.
DOMRADIO.DE: Wie ist denn die Genese dieser Illumination vonstatten gegangen?
Kleine: Es war klar, dass in unserem Land die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg ein wenig verblasst und zurücksteht hinter der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg. Aber gerade in unseren Nachbarländern ist der Erste Weltkrieg sehr präsent. Und es war klar, dass am Anfang des Krieges die Begeisterung für den Krieg stand. Das führte dann zu diesen unzähligen Opfer in einem Krieg, der mit dem Einsatz von Giftgas quasi zum ersten Mal industrialisiert wurde. Da wollten wir sagen, hier ist eine Welt zusammengebrochen und es gab danach auch keinen richtigen Frieden, denn schon zwanzig Jahre später begann der Zweite Weltkrieg.
Jetzt stehen wir in einer Phase, in der wir uns fragen, wie kann man miteinander umgehen. Das braucht Respekt, Solidarität, Wertschätzung und den Dialog. Friede ist mehr als die Abwesenheit von Krieg, dabei geht es immer auch um die Frage, wie gehe ich mit anderen Menschen um. Das erfahren wir gerade in diesen Monaten und Tagen ganz konkret. Daran hapert es auch heute noch – im Kleinen wie im Großen. Auch in der Familie und im Beruf gibt es ja den Unfrieden. Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen nach Chemnitz und all dem, was es in unserem Land gibt: Seid friedlich, geht miteinander gut und achtsam um. Das ist der Auftrag, den uns Christus gegeben hat.
DOMRADIO.DE: "Gib uns Frieden" ist vor diesem Hintergrund gar keine leicht verdauliche Überschrift. In welcher Form hat denn dieses Motto die Domwallfahrt geprägt?
Kleine: "Dona nobis pacem – gib uns Frieden" ist die letzte Bitte des Agnus Dei, also wenn wir in der Messe das Lamm Gottes beten, weil wir wissen, dass auch Gott die Macht hat, die Herzen der Verantwortlichen zum Frieden hinzulenken. Und gestern gab es zum Beispiel "Schmieden für den Frieden", wo 44 Schmiede aus ganz Europa dabei waren und Nägel geschmiedet haben. Wir machen also einen Frieden mit Köpfen, als Zeichen dafür, dass man füreinander da ist. Die Nägel wurden gegen eine Spende für Menschen in einer Schule im Libanon abgegeben. Und im Dom gibt es die Gottesdienste, die alle in den Friedensaspekt im Blick hatten und eindrucksvoll die vielen kleinen Aspekte von einem Frieden beleuchtet haben, den unsere Welt so sehr braucht.
DOMRADIO.DE: War es also trotz des schweren Themas ein fröhliches Friedensfest?
Kleine: Ja. Denn das düstere ist der Krieg gewesen, aber die Hoffnung steckt in diesen Worten "Gib uns Frieden". Das Friedvolle bestimmte die Gottesdienste, die Pilgerinnen und Pilger, die in den Dom kamen, und auch die Menschen, die abends zu der Illumination kamen, die sich zuerst einmal beeindrucken ließen und auch still waren, als da die Schrecken des Krieges auf der Fassade des Domes zu sehen waren. Aber aus dem Schwarz-Weiß wird am Ende etwas Buntes und das ist das letzte Bild, das man vor Augen hat: Wie schön und bunt das Miteinander von Menschen sein kann.
Das Interview führte Christoph Hartmann.