Gedrängt hat er sich nicht nach diesem hohen Amt und wirklich gerechnet hat er damit auch nicht. Mit der Überzeugung "Das betrifft mich nicht" fuhr der Limburger Bischof Georg Bätzing zur Wahl des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz nach Mainz, wie er später vor Mitarbeitern in Limburg berichtete.
Am Vorabend der Wahl am 3. März aber wurde ihm nach einigen Gesprächen klar, dass es für ihn "ernst" werden könnte, in der Nacht konnte er kaum schlafen. "Die Signale haben mich erschreckt, weil die Aufgabe mir zu groß erschien", so Bätzing später. Doch dann wurde er von den katholischen Bischöfen zu ihrem Vorsitzenden gewählt, als Nachfolger des Münchner Kardinals Reinhard Marx.
Seit der Wahl des damaligen Bischofs von Mainz, Karl Lehmann, vor 33 Jahren, ist Bätzing erst der zweite Ortsbischof einer mittelgroßen Diözese, der diese herausgehobene Position innehat, ohne zuvor Erzbischof oder Kardinal gewesen zu sein. Am 10. Juni wird er 100 Tage im Amt sein.
"Für Talkrunden ist er ein echter Gewinn"
War er in dieser schwierigen Zeit der Corona-Krise, in der Deutschland und auch die meisten Kirchengemeinden im "Herunterfahren" versanken, sichtbar und hörbar genug? Nicht, wenn man allein TV-Talkshows betrachtet. Bätzing war in keiner der bekannten Runden vertreten, als viele Menschen sich über die Verbote öffentlicher Gottesdienste Gedanken machten. Öfter sah man dort den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm oder die Ex-Bischöfin Margot Käßmann.
Einer, der Bätzing gut kennt, sieht für die Zukunft keine Probleme mit Blick auf Talkshows. Joachim Valentin, Direktor des katholischen Bildungszentrums "Haus am Dom" in Frankfurt, sagte in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) über Bätzing: "Für Talkrunden ist er ein echter Gewinn." Dort könne man den Limburger Bischof getrost in das "Schaufenster der katholischen Kirche" stellen.
Der ehemalige religionspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Stefan Ruppert, monierte Ende April, die Kirchen seien "vielleicht ein wenig still im Moment der Krise der letzten Wochen" gewesen. Andere Kritiker vermissten die Kirche "als Fels in der Brandung" oder warfen ihr gar "Versagen" vor.
Reformideen - die Frauenfrage hält er "für die allerwichtigste"
Doch dann ließ Bätzing aufhorchen, als er sich Mitte April gegen eine unverhältnismäßig lange Ausweitung der Gottesdiensteinschränkungen stellte: Mit Enttäuschung nehme er zur Kenntnis, "dass das Verbot von öffentlichen Gottesdiensten aller Religionsgemeinschaften derzeit erhalten bleiben soll", erklärte er damals. Angesichts von ersten Lockerungen in anderen Bereichen könne er das nicht nachvollziehen. Wenige Tage später gab es Gespräche mit Bund und Ländern, die dann zur Wiederzulassung von öffentlichen Gottesdiensten führten.
Am sichtbarsten gelang es Bätzing rund um Pfingsten, Meinungsführerschaft zu beanspruchen und aus dem Schatten seines Vorgängers Marx zu treten. In einer Reihe von Interviews - darunter der "Süddeutschen Zeitung»" der reformorientierten christlichen Zeitschrift "Publik Forum" und der "Frankfurter Rundschau" - setzte Bätzing Akzente.
Das Aussetzen leibhaftiger Gemeinde-Gottesdienste, gerade an Ostern, rechtfertigte er: "Der Verzicht ist uns sehr schwer gefallen, aber es galt Menschenleben zu schützen." Die kirchliche Selbstständigkeit sei ein hohes Gut - "aber hier war der falsche Zeitpunkt, auf sie zu pochen." Zugleich nutzte er die Gelegenheit, vehement für innerkirchliche Reformideen zu werben, wobei er betonte, dass er die Frauenfrage "persönlich für die allerwichtigste" halte. Immer wieder bekennt er sich zu dem Reformprojekt Synodaler Weg.
Premiere in mehrfacher Weise
Bätzing wurde am 13. April 59 Jahre alt. Über den Appell seines 66-jährigen Vorgängers Marx "Jetzt müssen die Jungen mal ran" hat er sich "amüsiert". Eine "Premiere in mehrfacher Weise" war für ihn die erste Sitzung der Bischofskonferenz als Vorsitzender, als der Ständige Rat der 27 Ortsbischöfe Ende April in einer Videokonferenz tagte und dieser Kanal manchen Bischöfen noch fremd war, wie Bätzing resümierte.
Dass manchem in Deutschland auch Bätzing noch fremd ist, zeigte sich beim RTL-Quiz "Wer wird Millionär?" Ende April. Die Frage lautete: "Georg Bätzing aus Limburg ist seit Anfang März hierzulande wessen oberster Repräsentant?" Der Kandidat, ein angehender Lehrer, benötigte zwei Joker - gab dann aber die richtige Antwort.
Von Norbert Demuth