DOMRADIO.DE: Im neuen Modell geht es um Leitungsverantwortung: Heißt das, dass ehrenamtliche Katholikinnen und Katholiken künftig tatsächlich auch weitreichende Entscheidungen treffen dürfen?
Monsignore Markus Bosbach (Leiter der Hauptabteilung Seelsorgebereiche und stellvertretender Generalvikar im Erzbistum Köln): Wir laden mit dem Konzept, das jetzt entwickelt wird und auch noch gar nicht fertig ist, sondern jetzt in eine weitere Entwicklungsphase geht, getaufte Männer und Frauen ein, Leitungsmitverantwortung zu übernehmen. Wie sich das dann ganz konkret ausgestalten wird – mit welchen Entscheidungskompetenzen, mit welchen Befugnissen – muss jetzt alles noch entwickelt werden. Wir stehen da noch am Anfang eines Weges. Das Konzept ist also noch gar nicht endgültig fertig.
DOMRADIO.DE: Wie kann denn diese angesprochene Verantwortung konkret aussehen? Da geht es ja nicht nur darum, wer den Schlüssel für die Kirche hat, oder?
Bosbach: Wer den Schlüssel hat, ist schon eine ganz wichtige Frage, denn da fängt es an. Das Konzept, das jetzt angedacht ist, wäre zum Tod verurteilt, wenn es vor Ort zu solchen Machtkämpfen käme: Wer darf jetzt den Schlüssel haben? Es ist ganz wichtig, dass natürlich die, die Verantwortung übernehmen, auch wirklich Zugang zu den Ressourcen haben. Es geht aber natürlich um viel mehr.
Es geht darum, dass Getaufte und Gefirmte eine wirkliche Mitverantwortung übernehmen, dass Seelsorge und kirchliches Leben an einem Ort weitergeht und dass die Dinge, die wesentlich zur Kirche dazugehören, auch weiter leben dürfen. Das ist zum Beispiel die Sorge für die Kranken und für die Armen. Das ist die Sorge um die Weitergabe des Glaubens an die nächste Generation. Das ist die Sorge darum, dass Menschen sich auch zum Gebet und zum Gottesdienst versammeln können.
DOMRADIO.DE: Bislang ist es so, dass in Pfarreien der Pfarrer das letzte Wort hat. Wie würde das wohl bei diesem neuen Modell aussehen?
Bosbach: Der Pfarrer bleibt ja Leiter einer beschriebenen Ebene, das ist im Erzbistum Köln im Moment der Seelsorgebereich. Das hat unser Erzbischof auch sehr klargestellt, mit dem Pfarreramt ist die Letztverantwortung verbunden. Aber schon heute lebt ja kein Pfarrer eigentlich sozusagen aus einer letzten Autorität seinen Dienst, sondern immer mit vielen zusammen. Aber im Moment werden eben viele Hauptamtliche einfach hin und her gerissen und auch oft zerrissen, weil von ganz vielen Seiten an ihnen gezogen wird. Sie sollen nach wie vor für alles verantwortlich sein. Das ist einfach ein Modell, das so nicht weitergeht.
Dort wo Getaufte und Gefirmte Verantwortung übernehmen werden – in einem Ort, in einer Pfarrei oder in einem Bereich – wird sich auch Leben entfalten können. Wo Getaufte und Gefirmte eine solche Verantwortung nicht übernehmen werden, wird dann auch möglicherweise kein kirchliches Leben mehr sein können.
DOMRADIO.DE: Angedacht ist, die betreffenden Personen für vier Jahre zu ernennen – mit der Möglichkeit der Verlängerung um weitere vier Jahre. Wie verbindlich wäre denn so eine Aufgabe? Was passiert zum Beispiel wenn ein Ehrenamtlicher auf einmal keine Zeit mehr hat, weil er zum Beispiel einen Job annimmt?
Bosbach: Die vier Jahre und die Verlängerungsmöglichkeit sind jetzt mal ein Vorschlag. Auch das wird weiter diskutiert werden. Natürlich müssen wir auch Wege finden, wie jemand wieder aus so einer Verantwortung herauskommen kann, wenn er sich dem nicht gewachsen fühlt oder sich die äußeren Bedingungen geändert haben. Vielleicht gibt es auch Konflikte in einem solchen Team von Verantwortlichen, die dazu führen, dass man nochmals gemeinsam nachdenkt, wie dieses Team am besten zusammengesetzt sein sollte.
Die Beauftragung für vier Jahre ist so gedacht, dass es denen, die als Team eine Verantwortung übernehmen, auch ein Stück Sicherheit dafür gibt, was sie in dieser Zeit gestalten und angehen können. Damit sie nicht ständig mit der Gefahr leben: Für das, was ich jetzt mache, kann ich sofort abgerufen werden. Das hat eine Verlässlichkeit und die braucht es auch, wenn man so einen Dienst übernimmt.
DOMRADIO.DE: Bislang gibt es professionelle Mitarbeiter der Seelsorge und es gibt ehrenamtlich Engagierte. Haben Sie nicht die Sorge, dass die Grenzen mit diesem neuen Modell verschwimmen und Gemeindemitglieder mit Leitungsaufgaben auch überfordert werden könnten?
Bosbach: Die Sorge ist berechtigt, wenn wir Leitung so denken, wie wir sie bisher verstehen. Wenn es darum geht, eine Allzuständigkeit zu haben, dann ist das für jeden eine Überforderung – auch heute schon für Hauptamtliche. Es geht am Ende darum, dass wir alle einen Rollenwechsel lernen müssen. Auch zukünftig wird Hauptberuflichkeit in der Kirche anders aussehen. Das Profil etwa von Priestern, Diakonen, Pastoral- und Gemeindereferentinnen und -referenten wird sich auch weiter verwandeln.
Und genauso müssen Teams von Verantwortlichen auch eine Rolle finden und in die hineinwachsen. Dabei darf es nicht zur Überforderung kommen, dann wäre irgendwas falsch gelaufen. Sondern es lebt aus der Bereitschaft der Getauften aus ihrem eigenen geistlichen Leben heraus, Verantwortung für die Kirche zu übernehmen. Wenn das zu einer quasi Hauptberuflichkeit führt, dann wäre in dem Konzept irgendwas schief.
DOMRADIO.DE: Angesichts dramatisch sinkender Katholikenzahlen in der näheren Zukunft auch hier im Erzbistum Köln hat Generalvikar Hofmann angemahnt, eine missionarische Kirche zu werden. Sind solche Teams von Verantwortlichen ein Schritt hin zu einer solchen missionarischen Kirche?
Bosbach: Hoffentlich. Wir setzen bei den Überlegungen zu einem solchen Modell auf Menschen, die eine geistliche Ausstrahlungskraft haben. Sie sind nicht nur einfach Funktionsträger, die irgendwelche Funktionen erfüllen, damit der Laden weiterläuft, sondern sollten glaubwürdig sein und eben eine geistliche Ausstrahlung haben, die andere anspricht. Im besten Fall erkundigen sich dann Menschen: Warum machst du das? Warum tust du das, was treibt dich da an? So geschieht, glaube ich, Mission heute: Indem einfach Menschen überzeugt und überzeugend leben und das in einer Gemeinschaft tun, die dann einladend attraktiv für Menschen ist, die auf der Suche sind.
Wenn es nur darum ginge, alle Funktionen am Leben zu erhalten, damit sich möglichst nichts ändert, wäre das Konzept völlig verfehlt. Dann wäre das, was am Ende rauskommt, nur ein Festbetonieren von Ist-Zuständen und wir würden die Augen zumachen davor, dass wir eigentlich in die Bedeutungslosigkeit verschwinden. Der Kardinal hat einmal sehr schön gesagt: Wenn wir nicht mehr daran glauben, dass wir eine Kirche im Wachstum sind, dann haben wir uns schon selbst aufgegeben.
Das Interview führte Hilde Regeniter.