Steinmeier wendet sich in erster Rede warnend an Putin

"Unterschätzen Sie nicht die Stärke der Demokratie!"

Frank-Walter Steinmeier geht in eine zweite Amtszeit als Bundespräsident. Nach seiner Wahl hielt er ein flammendes Plädoyer für den Erhalt der Demokratie. "Wer sie angreift, wird mich als Gegner haben", sagte er vieldeutig.

Frank-Walter Steinmeier nach seiner erneuten Wahl zum Bundespräsidenten / © Christophe Gateau (dpa)
Frank-Walter Steinmeier nach seiner erneuten Wahl zum Bundespräsidenten / © Christophe Gateau ( dpa )

Frank-Walter Steinmeier ist für eine zweite Amtszeit als Bundespräsident wiedergewählt worden. Die Bundesversammlung bestätigte den 66-Jährigen am Sonntag in Berlin mit großer Mehrheit. Damit bleibt er weitere fünf Jahre deutsches Staatsoberhaupt. Nach seiner Wiederwahl hielt Steinmeier eine kämpferische Rede, in der er die Stärke der Demokratie betonte, Hass und Gewalt in der Auseinandersetzung um den Umgang mit der Corona-Pandemie verurteilte sowie an den russischen Präsidenten Wladimir Putin appellierte, den Frieden in Europa zu bewahren.

Wladimir Putin, Präsident von Russland / © Alexei Nikolsky (dpa)
Wladimir Putin, Präsident von Russland / © Alexei Nikolsky ( dpa )

"Wir sind inmitten der Gefahr eines militärischen Konflikts, eines Krieges in Osteuropa", sagte Steinmeier vor der Bundesversammlung. Dafür trage Russland die Verantwortung. Der Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine sei eine Bedrohung. Gleichzeitig sagte er an Putin gerichtet: "Unterschätzen Sie nicht die Stärke der Demokratie!" Die Demokratie in Deutschland sei stark, weil sie ihre Kraft nicht mit Unterdrückung, Drohung nach außen und Angst im Inneren erkaufe sowie mehr zu bieten habe als "Ideen von nationaler Größe und Herrschaft über andere".

Steinmeier: Nicht neutral, wenn es um die Demokratie geht

Als Bundespräsident sei er überparteilich, aber nicht neutral, wenn es um die Sache der Demokratie gehe, sagte Steinmeier auch an die eigenen Landsleute gerichtet: "Wer sie angreift, wird mich als Gegner haben." Steinmeier versprach, dabei helfen zu wollen, die Wunden zu heilen, die die Pandemie in der Gesellschaft geschlagen habe. Eine rote Linie verlaufe aber bei Hass und Gewalt, sagte er mit Verweis auf Angriffe auf Polizistinnen, Pflegekräfte oder Bürgermeister im Zuge von Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen.

Frank-Walter Steinmeier

"Wer die Demokratie angreift, wird mich als Gegner haben."

Die Bundesversammlung fand wegen der Corona-Pandemie unter besonderen Bedingungen statt. Die mehr als 1.400 Delegierten kamen nicht wie üblich im Reichstagsgebäude, sondern auf mehreren Etagen des Paul-Löbe-Hauses zusammen. Steinmeier erhielt bereits im ersten Wahlgang die erforderliche absolute Mehrheit der Stimmen. 1.045 Wahlmänner und -frauen stimmten für seine Wiederwahl. Er ist der zwölfte Bundespräsident in der Geschichte der Bundesrepublik und der fünfte, der sich nach der ersten fünfjährigen Amtszeit zur Wiederwahl stellte.

Olaf Scholz gratuliert dem neuen Bundespräsidenten / © Wolfgang Kumm (dpa)
Olaf Scholz gratuliert dem neuen Bundespräsidenten / © Wolfgang Kumm ( dpa )

1.425 gültige Stimmen wurden bei der Bundesversammlung abgegeben, davon 86 Enthaltungen. Der von der Linken aufgestellte Sozialmediziner Gerhard Trabert erhielt 96 Stimmen. Auf den von der AfD aufgestellten Ökonomen Max Otte entfielen 140 Stimmen und auf die von den Freien Wählern nominierte Astrophysikerin Stefanie Gebauer 58 Stimmen. Gebauer und Trabert erhielten damit jeweils mehr Stimmen, als ihre Fraktionen in der Bundesversammlung hatten.

Nach der Wahl erhielt Steinmeier Glückwünsche aus vielen Parteien. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte bei Twitter, Steinmeier habe den Bürgerinnen und Bürgern in schwierigen Zeiten Orientierung gegeben und mit Herzblut das höchste Amt im Staat bekleidet.

Kirchen gratulieren Steinmeier

Auch die beiden großen Kirchen gratulierten Steinmeier zur Wiederwahl. Dass Deutschland in gesellschaftlich und außenpolitisch herausfordernden Zeiten durch einen erfahrenen Politiker repräsentiert werde, sei für viele ein gutes und wichtiges Zeichen, erklärte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sagte, Steinmeier setze der Gefahr von Polarisierung, Spaltung und Misstrauen ein Lebenszeugnis entgegen, das von Vertrauen, Miteinander und Verständnis geprägt sei.

Beide Kirchen hatten vor der Bundesversammlung für Sonntagmorgen zu einem Gottesdienst eingeladen, den auch jüdische und muslimische Geistliche mitgestalteten.

Quelle:
epd
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