Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat mit Blick auf das Ende der Ampel zu Vernunft und Verantwortung aufgerufen. Viele Menschen blickten mit Sorge auf eine unsichere Lage, sagte Steinmeier am Donnerstag in Berlin.
Die Verfassung habe Vorsorge getroffen für eine solche Situation. "Es ist das Ende der Koalition, nicht das Ende der Welt", so der Bundespräsident. Er erwarte von allen Verantwortlichen, dass sie der Größe der Herausforderungen gerecht würden.
Bischof Bätzing mahnt zu Zusammenhalt
Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, äußerte sich zum Bruch der Ampel-Koalition. Es brauche jetzt gesellschaftlichen Zusammenhalt und Solidarität. Zudem sei die Kunst des politischen Kompromisses notwendig. "Dieses Vertrauen habe ich in die Politik", so Bätzing.
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat sich zum Bruch der Ampel-Regierung geäußert. Dass in politischen Krisen die Institutionen funktionierten, sei grundsätzlich eine gute Nachricht, sagte Marx am Donnerstag in München bei der Abschluss-Pressekonferenz zur Herbstvollversammlung der bayerischen Bischöfe. Es drohe kein Bürgerkrieg, vielmehr könne in geregelter Weise ein neuer Anfang gesetzt werden. "Ich glaube, wir unterschätzen in unserem Land, was das bedeutet, dass man funktionsfähige Institutionen hat, die auch mit schwierigen Situationen umgehen können."
Kardinal Marx geht auf Vertrauensbegriff ein
Auf Nachfrage ging der Kardinal auf den Begriff "Vertrauen" ein. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Trennung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) unter anderem damit begründet, dass kein Vertrauen mehr vorhanden sei.
Auch in der Finanzkrise sei das Hauptproblem der Verlust des Vertrauens gewesen, so Marx. Die Banken hätten sich damals nicht mehr getraut, auch die Politik habe den Banken nicht mehr getraut. Funktionierende Institutionen seien das eine, unabhängige Gerichte und Rechtsstaatlichkeit das andere. Aber das reiche nicht aus, wenn nicht ein Grundvertrauen in die Institutionen vorhanden sei.
Man könne viel über die Veränderung der politischen Kultur in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten nachdenken, ergänzte Marx. Aber früher sei nicht alles besser gewesen, wenn man an die harten Auseinandersetzungen im Parlament in den 1950er und 1960er Jahren denke. Das politische Geschäft in der Demokratie sei immer ein Kampf bis an die Grenze dessen gewesen, wo man fragen könne, ob die rote Linie des Anstands überschritten werde.
Warnung in Sachen Sozialstaat
Zugleich verwies Marx darauf, dass die Bischöfe vor jedem Wahlkampf gemahnt hätten, einen fairen Wettbewerb mit Respekt vor dem anderen zu führen. Es gelte, ein Niveau zu halten. Doch wo die Grenze sei, lasse sich schwer sagen. Da könne man nur an jeden appellieren, darüber nachzudenken, ob er im Zweifelsfall von anderen genauso behandelt werden wolle wie er es selbst vorgegeben habe.
Mit Blick auf das soziale Gefüge sagte Marx, manche hätten Grundsätze vergessen und dächten, ein guter Sozialstaat sei nur das Ergebnis einer tollen Wirtschaft. "Das ist nicht die ganze Wahrheit." Eine gute Wirtschaft setze einen guten Sozialstaat voraus. Deshalb warne er davor, nur zu schauen, was der Sozialstaat koste.
"Verbal abrüsten"
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, betonte, er halte auch die Frage nach dem "Was bedeutet das für mich?" für zulässig. Er halte das "nicht nur für zutiefst menschlich, sondern für notwendig", schreibt er in einem Gastbeitrag für die "Jüdische Allgemeine". "Wer das Gefühl hat, dass die Sorge um sich selbst und um seine Familie anerkannt ist, der wird auch Verantwortung für andere übernehmen."
Weiter rief Schuster "alle politischen Kräfte" auf, "auch verbal abzurüsten". Das werde auch für den bevorstehenden Wahlkampf wichtig sein. In der Demokratie gebe es keine ideologischen Abkürzungen. Wenn einer solchen Vereinfachung nachgegeben werde, werde sich das gesellschaftliche Miteinander zu einem ideellen und materiellen Wettkampf einzelner Gruppen entwickeln.