Streit um orthodoxe Osterfeiern in Jerusalem

Spannungen im Heiligen Land

Eine Anhörung des obersten israelischen Gerichts zur geplanten Zugangsbeschränkungen für Christen zu den orthodoxen Osterfeiern hat am Mittwoch zu keiner Einigung zwischen der israelischen Polizei und christlichen Vertretern geführt.

Reisegruppe in Jerusalem / © Mr_Karesuando (shutterstock)
Reisegruppe in Jerusalem / © Mr_Karesuando ( shutterstock )

Ein Kompromissvorschlag der Richter wurde von den Christen abgelehnt, wie der Generalsekretär des "Jerusalem Inter-Church Center", Yousef Daher, am Mittwochabend in einem Facebookbeitrag berichtete.

Der richterliche Vorschlag sah vor, dass die Polizei den freien Zugang zum christlichen Viertel der Jerusalemer Altstadt so lange zulässt, wie sie dies für geeignet hält. Die Vertreter Jerusalemer Christen sowie verschiedener orthodoxer Organisationen hielten an der Forderung einer physischen Beseitigung der Barrieren im christlichen Viertel fest. "Die jahrelangen Schikanen der Polizei haben der Gemeinde gezeigt, dass man dem Urteil und dem Verhalten der Polizei nicht trauen kann", so Daher. Das für Donnerstag erwartete Urteil der Richter werde für die Polizei, nicht aber für die Gemeinde verbindlich sein.

Gebet vor der geschlossenen Grabeskirche in Jerusalem / © Andrea Krogmann (KNA)
Gebet vor der geschlossenen Grabeskirche in Jerusalem / © Andrea Krogmann ( KNA )

Petition arabischer Christen

Berichten christlicher Araber zufolge hatten sich die Christen mit einer Petition an das Gericht gewandt, nachdem die Polizei starke Einschränkungen für die Osterfeiern in der Grabeskirche bekannt gegeben hatte. Nach ihren Plänen soll die Zahl der Teilnehmer an den Feiern auf 1.000 Personen beschränkt werden. Weitere maximal 500 Personen sollen in die Höfe des griechisch-orthodoxen Patriarchats sowie auf die Dächer der Grabeskirche gelassen werden. In den Jahren vor der Pandemie hatte die Polizei die Zahl der Teilnehmer zu den Feiern wegen der beengten Verhältnisse sowie fehlender Notausgänge auf 10.000 Personen beschränkt.

Nach Protesten des griechisch-orthodoxen Patriarchats hatten sich zuletzt die drei Eigner der Grabeskirche an den israelischen Präsidenten Isaac Herzog gewandt. Die Oberhäupter der griechisch-orthodoxen Kirche, der armenischen Kirche und der Franziskanerkustodie baten Herzog, sich für eine Feier ohne Einschränkungen einzusetzen und versprachen im Gegenzug, sich für eine sichere Durchführung einzusetzen.

Das Sabeel-Zentrum für palästinensische Befreiungstheologie in Jerusalem lancierte unterdessen eine Online-Petition an die israelische Polizei. Auch der Parlamentsabgeordnete Ayman Odeh, kritisierte die Pläne der Polizei. Er appellierte an Ministerpräsident Naftali Bennett, "Platz für alle" zu schaffen, die die Auferstehungskirche zu den heiligsten Tagen der Christen erreichen wollten.

Palästinenser warnen vor Verschärfung der Lage auch für Muslime

Der palästinensische Oberste Präsidialausschuss für kirchliche Angelegenheiten hat vor einer Verschlechterung der Situation in Jerusalem durch von Israel betriebene Einschränkungen der Religionsfreiheit palästinensischer Muslime und Christen gewarnt. Die täglichen Angriffe auf die Al-Aksa-Moschee sowie die Zugangsbeschränkungen zur Grabeskirche hätten schwerwiegende Auswirkungen, zitierte die palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa am Mittwochabend aus einem Brief des Ausschussvorsitzenden Ranzi Khoury an Kirchenführer weltweit.

Palästinenser beten im Innenhof der Al-Aksa-Moschee / © Mahmoud Illean (dpa)
Palästinenser beten im Innenhof der Al-Aksa-Moschee / © Mahmoud Illean ( dpa )

In dem Schreiben fordert der Ausschuss die Kirchenführer auf, ihren Teil dazu beizutragen, Druck auf die israelischen Behörden auszuüben, damit diese die gegen alle internationalen Menschenrechtskonventionen verstoßenden Praktiken einstellen. Ferner forderte das Gremium freien Zugang der Gläubigen zu ihren Gotteshäusern.

In einer zuvor veröffentlichten Erklärung hatte das Präsidialkomitee dem Bericht zufolge muslimische und christliche Palästinenser dazu aufgerufen, nach Jerusalem zu reisen und aktiv an religiösen Ritualen teilzunehmen und die geltenden Zugangsbeschränkungen zu durchbrechen.

Palästinensische Gebiete erneut zu jüdischem Feiertag abgeriegelt

Die israelische Armee hat unterdessen zum Abschluss des jüdischen Pessachfests erneut eine Schließung der Übergänge zu den besetzten palästinensischen Gebieten angeordnet. Die Abriegelung beginnt laut israelischen Medienberichten um 17.00 Uhr am Donnerstag und soll bis Samstag gelten. Der genaue Zeitpunkt solle von der Sicherheitslage abhängig gemacht werden.

Im Rahmen der bestehenden Beschränkungen sollen palästinensische Muslime weiterhin zu den Freitagsgebeten nach Jerusalem reisen dürfen. Ausnahmen gelten ferner für humanitäre und weitere dringende Fälle. Bereits zum Beginn des Pessachfests am vergangenen Freitag hatte Israel eine ähnliche Schließung verhängt.

Orthodoxe Kirche

Als orthodoxe Kirche wird die aus dem byzantinischen (Oströmischen) Reich hervorgegangene Kirchenfamilie bezeichnet. Sie besteht je nach Standpunkt aus 14 beziehungsweise 15 selbstständigen ("autokephalen") Landeskirchen. "Orthodox" ist griechisch und bedeutet "rechtgläubig". Trotz großer nationaler Unterschiede und innerer Konflikte versteht sich die Orthodoxie in Bekenntnis und Liturgie als eine einzige Kirche. Ehrenoberhaupt ist der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I. (84).

Christlich-orthodoxes Holzkreuz und Kirche in der Nähe von Kharkiv in der Ukraine / © aquatarkus (shutterstock)
Christlich-orthodoxes Holzkreuz und Kirche in der Nähe von Kharkiv in der Ukraine / © aquatarkus ( shutterstock )
Quelle:
KNA