Der Aufschrei über das Gesetz ist so laut wie die Vorschriften des Bundesstaates Louisiana eindeutig: In allen Klassenzimmern und Lehrräumen müssen ab 2025 auf 27 mal 35 Zentimeter großen, gerahmten Plakaten und in "großer und gut lesbarer Schrift" die biblischen Zehn Gebote aufgehängt werden. "Wir werden den Gouverneur dafür vor Gericht bringen", erklärte Rachel Laser von der Organisation "Americans United for Separation of Church and State" nach Unterzeichnung des Gesetzes durch den republikanischen Gouverneur Jeff Landry.
Ohne staatliche Mittel
Eine Premiere in den USA. Louisiana ist der erste Bundesstaat, der per Gesetz die Trennung von Kirche und Staat quasi aushebelt. Mit der Begründung, es handele sich bei den Zehn Geboten nicht um ein religiöses Bekenntnis, sondern ein Grundlagendokument der Vereinigten Staaten. Die Aushänge werden aus Spendengeldern finanziert; der Einsatz staatlicher Mittel ist tabu.
Für Stephen Ryan, den Schulleiter der "Archbishop Shaw High School" in einem Vorort von New Orleans, ist das Gesetz Anlass zum Feiern. Er freue sich darauf, dass die Zehn Gebote bald in den Klassenräumen ausgehängt werden.
Progressive Katholiken wie der Priester Michael Alello sehen das anders. "Wie viel Steuergeld wird verschwendet, um dies vor Gericht zu verteidigen, nur damit es später aufgehoben wird", empört sich der katholische Geistliche aus Baton Rouge.
Die Gegner des Gesetzes stellen dessen Verfassungsmäßigkeit infrage.
"Übergriffiges" Gesetz
Die Zehn Gebote fänden sich weder in den Gründungsdokumenten noch in der Verfassung, argumentiert etwa Annie Laurie Gaylor, Co-Präsidentin der Organisation "Freedom From Religion". Aus ihrer Sicht ist das Gesetz schlicht "übergriffig" und eine religiöse Nötigung von Schülern.
Ebenfalls beunruhigt zeigen sich muslimische US-Organisationen wie die "Islamic Society of North America" und der "Council on American-Islamic Relations". Die Gebote seien zwar universelle Prinzipien, doch stelle sich die Frage, ob mit dem Gesetz "nur ein Verständnis einer Religion" willkommen sei, sagte dessen stellvertretender Direktor, Edward Ahmed Mitchell.
Auch aus der Lehrerschaft Louisianas meldet sich Protest gegen das Gesetz. Er denke nicht daran, die Zehn Gebote in seinem Klassenzimmer aufzuhängen, so Chris Dier, der 2020 zum Lehrer des Jahres gekürt wurde. Den Weg für das Gesetz in Louisiana hatten Urteile des konservativ dominierten Obersten Gerichts in Washington geebnet, die wiederholt zugunsten der Religionsfreiheit votiert und das Verfassungsgebot der Trennung von Staat und Religion relativiert haben.
Bibel notwendig historisch
Der Premiere in Louisiana folgte kurz darauf ein Nachahmer im Präriestaat Oklahoma. Dort verordnete der Superintendent für Unterricht an öffentlichen Schulen, Ryan Walter, den Lehranstalten des Bundesstaates, die Bibel zu lehren - einschließlich der Zehn Gebote. Die Bibel sei ein "notwendiges historisches Dokument", argumentierte der 39-jährige Republikaner. Walters Direktive dürfte ebenfalls gerichtlich angefochten werden.
"Öffentliche Schulen sind keine Sonntagsschulen", so die Präsidentin von "Americans United" Laser, die für die Trennung von Staat und Kirche eintritt. Schulen dürften über Religion lehren, aber "keine Religion predigen".
Umstritten ist auch die vom Gesetz festgelegte Version der Zehn Gebote, die ab dem neuen Jahr in Louisianas öffentlichen Schulen aushängen soll. Sie entstammt der King-James-Bibel, der für Protestanten maßgeblichen Bibel-Übersetzung von 1611. Das ist inakzeptabel für einige andere christliche Konfessionen, einschließlich nicht christlicher US-Religionsgemeinschaften.
Für Mark Chancey, Spezialist für die Rolle der Bibel an öffentlichen Schulen an der privaten "Southern Methodist University" von Texas, ist dieser Frontabschnitt des US-Kulturkampfes komplett unübersichtlich. "Wenn es um staatliche Förderung von Religion geht, herrscht dort draußen der Wilde Westen."