Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt Skepsis der Deutschen

Kritischer Blick auf Israel

Die Deutschen blicken skeptisch auf Israel: Mehr als die Hälfte der Befragten einer Studie der Bertelsmann-Stiftung bewerten die Regierung negativ. Umgekehrt sehen Israelis die Deutschen deutlich positiver.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu  (dpa)
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu / ( dpa )

Fünfzig Jahre nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen hätten 48 Prozent der Befragten eine schlechte Meinung über Israel, heißt in einer am Montag veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh. Die Israelis sehen Deutschland dagegen deutlich positiver.

Deutlich ablehnend ist die Haltung zur israelischen Regierung. 62 Prozent der Deutschen bewerten sie negativ. Damit ist die Haltung der Deutschen zu Israel ablehnender als die Haltung jüdischer Israelis gegenüber Deutschland. Beide Länder hatten am 12. Mai 1965 diplomatische Beziehungen aufgenommen.

Unterschiedliche Erwartungen an Politik

Der Studie "Deutschland und Israel heute: Verbindende Vergangenheit, trennende Gegenwart?" zufolge bestimmt die Wahrnehmung des israelisch-palästinensischen Konflikts zunehmend das Israel-Bild der Deutschen. Zwar meinen Israelis (74 Prozent) und Deutsche (61 Prozent) mehrheitlich, dass sich aus der Geschichte eine besondere Verantwortung Deutschlands ergibt. Auseinander gehen jedoch die Erwartungen, wie die deutsche Politik diese Verantwortung wahrnehmen soll.

So erhoffen sich 84 Prozent der Israelis von der Bundesregierung eine politische Unterstützung ihrer Position im Nahostkonflikt. Jeder zweite Deutsche lehnt dies allerdings ab. 82 Prozent der Israelis wünschen sich deutsche Waffenlieferungen an ihr Land. 68 Prozent der befragten Deutschen sind dagegen.

Auf einander zugehen

Als Grund für die unterschiedlichen Erwartungen sieht Stephan Vopel, Israel-Experte der Stiftung, dass Israelis und Deutsche aus der Geschichte unterschiedliche Schlüsse gezogen haben: "Für die Deutschen gilt die Maxime 'nie wieder Krieg', für die Israelis heißt es 'nie wieder Opfer'." 

Allerdings sehen die Deutschen die israelische Regierung nicht mehr so stark in der alleinigen Verantwortung, zur Lösung des Nahostkonfliktes beizutragen. Zu Beginn der 90er Jahre hatte noch jeder vierte Bundesbürger gefordert, nur die Israelis müssten im Konflikt nachgeben. Heute sagt das nur noch jeder sechste. 73 Prozent der Deutschen glauben, Israelis und Palästinenser müssten gleichermaßen aufeinander zugehen, um Frieden zu schließen. Das glaubt auch eine Mehrheit der israelischen Befragten (53 Prozent). 

Ältere Israelis haben bessere Meinung als Jüngere

Mit dem eher negativen Israelbild vieler Deutscher kontrastiert ein ausgesprochen positives Deutschlandbild der jüdischen Israelis. 68 Prozent von ihnen haben eine gute Meinung über Deutschland, nur 24 Prozent haben eine schlechte Meinung. 1991 hingegen hatten nur 48 Prozent der Israelis eine gute Meinung, 40 Prozent eine schlechte.

Allerdings ist das Image Deutschlands bei den älteren Israelis besser als bei den Jüngeren: Während von den über 50-Jährigen rund 80 Prozent positiv über Deutschland urteilen, tun dies von den unter 30-Jährigen nur 53 Prozent. 

Einfluss durch Holocaust

Auch die Arbeit der Bundesregierung wird von der Mehrheit der Israelis positiv gesehen. 63 Prozent bewerten sie anerkennend, nur 18 Prozent sehen sie negativ. Dennoch bleibt das deutsch-israelische Verhältnis durch den Holocaust beeinträchtigt. 77 Prozent der Israelis bestätigen eine entsprechende Frage. Drei Viertel der Israelis lehnen es auch ab, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen.

81 Prozent der Befragten in Deutschland wollten die Geschichte der Judenverfolgung "hinter sich lassen" und sich gegenwärtigen Problemen widmen, erklärte die Bertelsmann-Stiftung. 58 Prozent der befragten Deutschen forderten gar einen regelrechten Schlussstrich. Dies lehnten drei Viertel der Israelis ab. Nur jeder Fünfte bejahe diese Forderung, hieß es.

Studie: Antisemitische Einstellungen werden weniger

Die Studie untersucht anhand einzelner Fragen auch Aspekte antisemitischer Einstellungen, ohne den Anspruch zu erheben, das komplexe Phänomen Antisemitismus vollständig zu erfassen. Dennoch glaubt die Stiftung, dass klassische antisemitische Einstellungen schwächer werden. 23 Prozent der Deutschen meinen, Juden hätten auf der Welt zu viel Einfluss. Zu Beginn der 90er Jahre sagten das noch 36 Prozent. 35 Prozent setzen die israelische Politik gegenüber den Palästinensern mit dem Nationalsozialismus gleich. 2007 taten dies 30 Prozent.


Quelle:
KNA , epd