In der wissenschaftlichen Aufarbeitung von Missbrauch im deutschen Franziskanerorden gibt es erste Ergebnisse. Die bisher bekannten Taten hätten vor allem in den 1950er bis 1970er Jahren stattgefunden, teilte das Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) am Montag in München mit.
Die Tatorte lägen vor allem in Nordrhein-Westfalen. Als "Hotspots" werden Vossenack und Großkrotzenburg genannt. Die Betroffenen seien großteils männlich und zum Zeitpunkt der ersten Tat zwischen 10 und 14 Jahre alt gewesen.
Für die Studie würden weitere Interviewpartner gesucht, hieß es. "Wir haben die Vermutung, dass es einige Betroffene gibt, die sich nicht gern bei der Täterorganisation melden", sagte der Sozialpsychologe Heiner Keupp der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Betroffene und Zeitzeugen gesucht
Als der Orden die Untersuchung Ende Januar in München publik machte, hieß es, bei ihm seien seit 2010 etwas mehr als 40 Meldungen eingegangen. Keupp sagte dazu, auch von diesen habe erst ein Teil Kontakt mit dem IPP aufgenommen.
So seien bisher ein Dutzend Interviews zustande gekommen. Außer Betroffenen wurden Zeitzeugen aus dem Umfeld des Ordens gebeten, sich bei den Forschern zu melden.
Der Wissenschaftler sagte, manche Strukturen erschwerten die Aufarbeitung von Missbrauch in dem Orden. So seien die Franziskaner viel mobiler als Benediktiner, die sich zeitlebens einem bestimmten Kloster anschlössen.
Dazu komme, dass die Franziskaner wegen Nachwuchsmangels inzwischen etliche Niederlassungen aufgegeben hätten. Derzeit ist der in Deutschland noch etwas mehr als 200 Mitglieder zählende Orden noch an 25 Orten zwischen Füssen, Halle und Hamburg präsent.
Abschluss bis Ende 2025
Keupp attestierte den Franziskanern zugleich eine hohe Mitwirkungsbereitschaft. Dies gelte auch für die Leitungsebene des Ordens. Die Studie soll bis Ende 2025 abgeschlossen sein.
Das IPP hat zu dem Thema schon mehrere Forschungsprojekte für Institutionen durchgeführt, etwa für das Benediktinerinternat Ettal oder die Odenwaldschule. Zuletzt war es an der Forum-Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland beteiligt.