Rund 89 Prozent der Juden in Europa sehen Antisemitismus in ihrem jeweiligen Heimatland seit 2013 im Aufschwung. Das berichtete die "Bild"-Zeitung am Freitag unter Berufung auf eine Umfrage der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte.
Demnach überlegen 38 Prozent der europäischen Juden, ob sie auswandern sollen. Als Grund dafür gaben sie die mangelnde Sicherheitslage für Juden in ihrem Land an. Mehr als jeder vierte Befragte (28 Prozent) sagte, im vergangenen Jahr antisemitisch belästigt oder angegriffen worden zu sein.
Die Umfrage der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte ist zweite ihrer Art, die Erfahrungen von Juden mit Hasskriminalität, Diskriminierung und Antisemitismus in der Europäischen Union untersucht.
An der Studie nahmen dem "Bild"-Bericht zufolge 16.395 Personen aus 12 EU-Ländern teil, die insgesamt 96 Prozent der jüdischen Bevölkerung in der Europäischen Union abdecken. Der Bericht zur ersten Studie wurde 2013 veröffentlicht.
Erklärung zum Kampf gegen Antisemitismus verabschiedet
Am Donnerstag wurde in Brüssel eine Erklärung zum Kampf gegen Antisemitismus verabschiedet. Darin rufen die EU-Innenminister auf, jüdische Gemeinden und Institutionen besser zu schützen. Die EU-Mitgliedstaaten sollten die notwendigen Maßnahmen finanzieren.
"Antisemitischer Hass bleibt weit verbreitet", heißt es in der Erklärung. In den vergangenen Jahren habe die Zahl der gewalttätigen Übergriffe mit antisemitischem Hintergrund zugenommen. Jüdische Gemeinden seien in einigen EU-Mitgliedstaaten in besonderer Weise gefährdet.
Die Minister sprechen sich außerdem für mehr Fortbildungen für Lehrer, Polizisten und Richter aus, um antisemitischen Tendenzen besser entgegentreten zu können. Judenfeindliche Äußerungen im Internet sollen durch einen Verhaltenskodex für Internetunternehmen bekämpft werden.
Vertreter des Judentums begrüßen Erklärung gegen Antisemitismus
Jüdische Organisationen haben die Erklärung der EU-Innenminister zur Bekämpfung von Antisemitismus begrüßt. "Ich freue mich sehr über das deutliche Signal", sagte die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, am Donnerstag in München. Die Sicherheit des jüdischen Lebens und der Kampf gegen Antisemitismus müssten angesichts der aktuellen Bedrohungen aus verschiedenen politischen Richtungen überall in Europa höchste Priorität haben, so Knobloch.
Ähnlich äußerte sich der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder. Die Erinnerung an den Holocaust verblasse langsam. In diesem Zusammenhang sei die Erklärung ein klares Signal der EU-Mitgliedstaaten, Diskriminierungen von Juden entschlossen zu begegnen.