Es war die vorletzte Etappe im nationalen Einigungsprozess Italiens. Mit dem Gesetz vom 3. Februar 1871 - vor 150 Jahren - wurde Rom offiziell Hauptstadt. Die politische Macht der Päpste, die 1.116 Jahre lang über die Stadt und weite Teile Mittelitaliens geherrscht hatten, ging zu Ende.
Lateran-Verträge erst 1929
Pius IX. zog sich verbittert als "Gefangener" in den Vatikan zurück. Er wollte nicht italienischer Ehrenbürger werden, sondern sah sich weiterhin als Souverän. Erst 1929 fanden die Lateran-Verträge eine einvernehmliche Lösung zwischen dem Heiligen Stuhl und Italien und beendeten die "Römische Frage".
Sofort nach der Einnahme Roms begannen in der Stadt die Vorbereitungen für die neue säkulare Staatlichkeit. Pius IX. hatte bis zuletzt auf eine politische Rettung gehofft. Bei der Eroberung leistete seine aus 13.000 internationalen Freiwilligen bestehende Armee nur symbolisch Widerstand.
Kaum hatte sich der Pulverdampf an der 50 Meter breiten Bresche nahe der Porta Pia verzogen, rückten die italienischen Divisionen in der Stadt ein und besetzten die ihnen zugewiesen Stadtteile. Die Bevölkerung, die wenige Tage zuvor noch dem Papst zugejubelt hatte, sympathisierte mehr und mehr mit den neuen Machthabern.
Anschluss Roms an das Königreich
Chronisten sprachen von tätlichen Übergriffen auf Kleriker und Ordensleute. Schon am 2. Oktober stimmte die Bevölkerung über den Anschluss Roms an das Königreich ab. Das Ergebnis sah überwältigend aus: In der Stadt gab es 40.785 Ja- und nur 46 Nein-Stimmen, in der gesamten Provinz 133.681 gegenüber 1.507.
Rund 50 Konvente und große Verwaltungsgebäude wurden nun per Dekret enteignet, um Platz für Behörden zu schaffen. Der Quirinalspalast - zuvor päpstlicher Amts- und Sommersitz im Zentrum der Stadt - wurde Residenz des Königs. Im Palazzo Madama, dem Sitz der Päpstlichen Finanzverwaltung, sollte der Senat seinen Platz finden, im Palazzo Montecitorio, zuvor Sitz des Tribunals, die Abgeordnetenkammer.
Drei Wochen später verurteilte Pius IX. in der Enzyklika "Respicientes ea" vom 1. November 1870 die Besetzung des Kirchenstaates aufs Schärfste. Sie sei "ungerecht, gewaltsam, nichtig und ungültig". Er protestiere vor Gott und der ganzen katholischen Welt, dass er in "einer solchen Gefangenschaft die höchste pastorale Autorität nicht mit Sicherheit, Zügigkeit und Freiheit ausüben" könne. Später verbot er in der Bulle "Non expedit" allen Katholiken die Teilnahme an Wahlen im neuen Nationalstaat.
Zunächst harte Linie der Päpste gegen den neuen Staat
Zwei Tage vor Jahresende kam der König, mit dem Zug und in Zivil, zu einer Stippvisite für wenige Stunden nach Rom, das von einem verheerenden Hochwasser - mancher wollte darin einen Wink Gottes sehen - heimgesucht war. Er fuhr in einer Kutsche vom Bahnhof zum Quirinal und zeigte sich seinen Anhängern dort kurz am Fenster. Ein Brief, den er dabei an den Papst richtete, blieb unbeantwortet. Sein eigentlicher Umzug und der der Regierung erfolgten erst Mitte 1871.
Wie Pius IX. setzte auch sein Nachfolger, der große Sozial-Papst Leo XIII., die harte Linie gegenüber dem neuen Staat fort. Erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts lockerten die Päpste das Verbot von Wahlen und politischer Beteiligung. 1919 konnte Luigi Sturzo mit seiner katholischen Volkspartei PPI offiziell an den Parlamentswahlen teilnehmen.
Andere Zeiten - 150 Jahre später
Nach den Lateran-Verträgen dauerte es noch gut 80 Jahre, bis mit Tarcisio Bertone 2011 erstmals ein Kardinalstaatssekretär am staatlichen Gedenken für die italienischen Gefallenen der Porta Pia teilnahm. Zum 150-Jahrgedenken der Staats- und Hauptstadtgründung, das Rom seit Anfang Februar 2020 mit einem einjährigen Programm "Roma Capitale" begeht, hat sogar der Papst eine Botschaft geschickt.
Italiens Sieg und die Proklamation Roms zur Hauptstadt hätten damals Kontroversen und Polemik hervorgerufen, so Franziskus. Aber "sie veränderten Rom, Italien und die Kirche: eine neue Geschichte begann". Aus der Erinnerung an die Vergangenheit müsse man eine gemeinsame Zukunft leben. Inmitten der vielen internationalen Konflikte solle Rom eine Stadt der Begegnung sein - mit der Vision von Brüderlichkeit, Einheit und Friede für die Welt.