DOMRADIO.DE: Ist es denn jetzt eigentlich wirklich so neu, so ungewöhnlich, dass über die ehemaligen Tabu-Themen Zölibat und Frauenweihe diskutiert wird?
Renardo Schlegelmilch (Reporter Synodalversammlung): Die Art der Diskussion ist neu. Hinter vorgehaltener Hand hat man sich schon immer gefragt, ob Frauen Priester werden sollten, ob der Zölibat abgeschafft werden muss. Dass man das aber in diesem Rahmen macht – 230 Vertreter, die Hälfte davon deutsche Bischöfe, die andere Hälfte Laienvertreter –, dass die zusammenkommen mit dem Ziel, etwas konkret zu ändern. So, wie wir es im Moment merken, in der ersten und teilweise auch den zweiten Lesungen votiert eine überwiegende Mehrheit für diese Veränderungen zu 70 / 80 Prozent. Dass das bei diesen strittigen Themen so deutlich aussieht, ist tatsächlich neu. Zur Debatte, ob Frauen Ämter bekommen sollen, Diakoninnen oder Priesterinnen werden, fiel ganz häufig der Satz: Was wir hier erleben, ist fast schon ein historischer Moment.
DOMRADIO.DE: Wie nimmst du diese Debatten wahr?
Schlegelmilch: Ich muss sagen, das hat sich ein bisschen geändert im Vergleich zur ersten und zur zweiten Synodalversammlung. Nämlich, dass jetzt inzwischen viel inhaltlicher gesprochen wird. Klar, es fallen auch immer noch Sätze wie zu Beginn: 'Frauen werden diskriminiert, wir müssen das ändern'.
Oder die Gegenseite – einzelne Frauen, die sagen: 'Nein, ich werde nicht diskriminiert. Solche Veränderungen würden mich diskriminieren'. Das gibt es immer noch. Aber vorher hätte das eine größere Bedeutung gehabt. Und jetzt wird tatsächlich theologischer, wissenschaftlicher – mit sachlichen Argumenten pro und contra – darüber diskutiert, wie sich das denn in der Theologie begründet, dass nur Männer Priester sein sollen oder ob man zum Beispiel heutzutage nicht mehr sagen kann, Christus repräsentiere den Mann, sondern Christus repräsentiere alle Menschen unabhängig vom Geschlecht. Dass man wirklich an dem Punkt ist, wo sich hoch theologisch, ernsthaft über diese strittigen Fragen auseinandergesetzt wird und versucht wird, eine Lösung zu finden, das würde ich sagen, hat es in der Form in dieser Größe bis jetzt noch nicht gegeben.
DOMRADIO.DE: Nur am Ende entscheidet dann doch der Vatikan. Kommt da vielleicht ein großes rotes Stoppschild?
Schlegelmilch: Das ist ja die große Befürchtung. Und ich bin ganz ehrlich, das ist eigentlich auch ganz lange meine Meinung gewesen. Denn was interessiert sich der Vatikan für das, was hier in Deutschland gemacht wird? Man muss aber sagen, die Fahnen drehen sich gerade so ein bisschen. Das hat Bischof Bätzing gestern auch gesagt. Man ist mehr im Dialog inzwischen mit Rom. Es wird eine Arbeitsgruppe geben vom Vatikan mit dem Präsidium des Synodalen Weges. Und ich habe ein bisschen den Eindruck, man kann inzwischen sagen, dass es einzelne Stimmen gibt, die sagen: 'Ja, Deutschland macht hier was, was nicht unserer aktuellen Lehre entspricht. Aber vielleicht kann man sich das ja mal angucken. Vielleicht geht Deutschland, was ja ein theologisch sehr starkes und bedeutendes Land ist, ja voran.' Und wenn Deutschland diese Debatten führt wie jetzt, vielleicht kann man sich das im Vatikan ja angucken. Ich halte es immer noch nicht für sicher, dass das alles durchkommt. Ich würde auch sagen, ich halte es immer noch nicht für wahrscheinlich. Aber ich habe den Eindruck, die Wahrscheinlichkeit steigt, dass auch der Vatikan hier seine Zustimmung bei einzelnen Punkten gibt.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.