"Willkommen im Wald", Matthias Kopp, der Pressesprecher der Bischofskonferenz begrüßt uns zur Herbstvollversammlung der katholischen Bischöfe, die in diesem Jahr mitten im Wald stattfindet. Er sagt, er sei durch den morgendlichen Nebel gefahren – und aus dem Nebel seien die Türme des Limburger Domes in den Himmel gewachsen. Wir sind nicht in Limburg, jedenfalls nicht direkt. Wir sind im Bistum Limburg, dem Gastgeber der Bischofskonferenz. Und wir sind im Wald, im Wilhelm-Kempf Haus, einem Tagungshaus des Bistums Limburg – zwölf Kilometer von Wiesbaden entfernt.
Bei der Einweihung des Hauses 1984 seien ständig die Feuermelder losgegangen, erzählt Kopp. "Mitten im Wald", "Nebel", "Feuerlöscher" – und dann ist auch noch die Bonifatiuskirche in Wiesbaden, in der am Abend der Eröffnungsgottesdienst gefeiert wird, komplett eingerüstet, also eine große "Baustelle". Wo man auch hinschaut, überall regnet es Metaphern, die irgendwie im Zusammenhang mit der Katholischen Kirche stehen. Also lassen wir das mit den Metaphern mal beiseite und stellen uns vor das Wilhelm-Kempf Haus in die Sonne und schauen uns genau an, wer da wie "mitten im Wald" ankommt.
Weihbischof Mathias Karrer zum Beispiel, ein vergleichsweise junger Kerl, er ist Weihbischof im Bistum Rottenburg-Stuttgart, er kommt in knallblauen Turnschuhen, verschwitzt ist er, er war im Wald joggen, Fitnesstraining vor der Bischofskonferenz. Kurz darauf trifft ein polnischer Gastbischof ein, dicht hinter ihm sein Privatsekretär, sein Kofferträger. In Polen ist die bischöfliche Welt noch in Ordnung, denkt man – oder auch nicht? Mit einem Koffer kommen übrigens nicht alle angereist. Viele jüngere Bischöfe schultern einen Rucksack, der ist offen, weil der sperrige Ordner mit den Akten nicht hineingepasst hat und nun herausschaut. Andere tragen ganze Kisten mit Ordnern ins Haus. Alles noch sehr analog, aus dem Vorzeitalter, als es noch keine USB-Sticks gab.
"Einmal noch hier", ruft der pensionierte Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode, es ist seine letzte Bischofskonferenz und er ist verdammt gut gelaunt. Bei der Frühjahrstagung, so hat er in einem Interview gesagt, habe es gekracht wie nie zuvor. Vielleicht hat er eine Ahnung, dass es nicht besser wird – mit dem Krach? Jetzt ist er froh, er lacht und umarmt den herbeieilenden Matthias Kopp. Apropos froh. Das sind weiß Gott nicht alle Bischöfe, die aus ihren Autos steigen. Einige schauen sehr griesgrämig, man möchte ihnen mit Nietzsche zurufen: Die Christen müssten mir erlöster aussehen, wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte.
Aber wie soll man erlöst aussehen, wenn man zurzeit auf die Situation der Kirche blickt. Dass es ernst ist, sehr ernst, wird gleich bei der ersten Pressekonferenz mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, deutlich. Auf die Frage, wie er reagiert habe, als bekannt wurde, dass der verstorbene Kardinal Hengsbach nicht nur Missbrauch vertuscht hat, sondern auch Täter gewesen sein soll, stockt er, macht eine Pause, dann sagte er nach Worten ringend, die Missbrauchskrise habe damit eine neue Qualität erreicht und: "Die Verunsicherung für Gläubige dadurch ist mit nichts zu vergleichen". Alles müsse auf den Tisch, betont er, das sei man den Betroffenen gegenüber schuldig.
Am Abend in der Eröffnungsmesse gibt sich Bätzing in seiner Predigt kämpferisch. Die Umsetzung der in der Synodalversammlung beschlossenen Reformen sei dringend notwendig, sagt er. Durch Alibis werde sich die Reformbewegung nicht beruhigen lassen. Er fordert Geschlechtergerechtigkeit und Beteiligung auf allen Ebenen. Vor der Kirche stehen seine "Unterstützerinnen", Frauen, die laut singen: "Steh auf, bewege dich, denn nur ein erster Schritt verändert dich". Und dann rufen sie: "Gleich und berechtigt. Jetzt". Allerdings stehen sie gut 50 Metern entfernt von den Bischöfen, die sich zum Einzug in die Messe versammelt haben. Die Frauen haben zwar schon einmal den Standort gewechselt, weil sie vermuteten, dass die Bischöfe einen hinteren Eingang ins Gotteshaus wählen, hat aber nichts genützt, ein Gitter bleibt geschlossen, sie werden nicht vorgelassen. "Bischof Bätzing hat uns zugewunken", sagt eine Frau, die den Einzug der frommen Kleriker in die Kirche aus der Ferne genau beobachtet. Ob er es gut findet, dass die Frauen nicht vorgelassen werden?
Und dann platzt da auch noch das Grußwort des päpstlichen Nuntius Eterovic ins Haus. Eine Kampfansage gegen den "Gender-Wahn". Lauter kann man es nicht rufen: gleichgeschlechtliche Beziehungen sind widernatürlich und nicht mit der Schöpfung vereinbar. Eine Frechheit, meint ein Journalist neben mir: "eine Zumutung", die die Sitzungen der Bischöfe ordentlich aufmischen wird.
Es wird heftig zugehen in den kommenden Tagen, es wird unruhig werden – mitten im Wald, wo sich sonst Fuchs und Hase gute Nacht sagen, die werden sich wundern, wem sie womöglich im Wald auf verschlungenen Wegen begegnen könnten. Bischöfen, die dringend frische Luft gebrauchen. Aber halt – jetzt fangen wir schon wieder mit Metaphern an, das wollten wir doch lassen.