Zu Beginn seines zweiten Reisetags in Ungarn hat der Papst eine kirchliche Einrichtung für Kinder mit Behinderung in Budapest besucht.
Er verbrachte viel Zeit mit ihnen und dem Personal der Einrichtung - und schien Freude an den Begegnungen zu haben. In einer improvisierten Schlussansprache betonte er mit Nachdruck, dass "dies der Weg des Evangeliums ist: Jesus ist gekommen, damit wir die Wirklichkeit annehmen, wie sie ist, und sie durch unser Tun voranbringen."
Weg des Evangeliums fängt mit Wirklichkeit der Menschen an
Es wäre leichter, so fuhr der sichtlich bewegte Papst fort, mit Ideen und Ideologien anzufangen und sie umzusetzen. Aber der Weg des Evangeliums, der Weg Jesu, sei nun mal der Weg, der mit der Wirklichkeit der Menschen anfange.
Die Worte des Papstes klangen wie eine vorbeugende Erwiderung auf mögliche Kritik daran, dass er bei seinen Besuchsterminen am Samstag nicht ausdrücklich von Politik sprach, sondern von Nächstenliebe. Er kritisierte nicht, wie bei früheren Gelegenheiten, die Abschottung der Grenzen Europas. Vielmehr lobte er jene in Ungarn, die Geflüchteten aus der Ukraine geholfen hatten.
In der Elisabethkirche in Budapest war ein Treffen mit "Armen und mit Geflüchteten" angesetzt, wie es im offiziellen Reiseprogramm hieß. Im Vorfeld war spekuliert worden, ob der Papst es nutzen würde, um die restriktive Migrationspolitik der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban zu kritisieren.
Dank für christliche Privatpersonen und Gruppen in Ungarn
Stattdessen dankte Franziskus in seiner Ansprache christlichen Privatpersonen und Gruppen in Ungarn für ihre großherzige Aufnahme von Geflohenen aus der Ukraine. Und er nahm sich Zeit für eine Begegnung mit einer siebenköpfigen Familie aus Dnipropetrowsk, die seit Beginn des russischen Angriffskriegs in Ungarn lebt.
Unter den Nachbarländern der Ukraine hat Ungarn vergleichsweise wenige Flüchtlinge dauerhaft aufgenommen. Mehr als eine Million von ihnen, die von Nordosten über die Grenze kamen, reisten weiter nach Österreich, Slowenien oder andere Länder Europas. Und die Flüchtlingsroute aus dem Südosten, über die früher viele Menschen aus dem Nahen Osten und Asien nach Ungarn kamen, um Mittel- und Westeuropa zu erreichen, ist schon lange so gut wie versperrt.
In der Elisabethkirche von Budapest begegneten dem Papst auch einige Menschen aus Pakistan, aus Afghanistan und aus Afrika. Doch waren sie mit Hilfe der Gemeinschaft von Sant'Egidio per Flugzeug nach Ungarn gekommen. Geflüchtete, die auf der Balkanroute eingewandert sind, gibt es in Ungarn nur wenige, und auch beim Treffen der Flüchtlinge mit dem Papst suchte man sie vergebens.
Papst will "Kirche, die die Sprache der Nächstenliebe fließend spricht"
Umso präsenter waren die Vertreter der ungarischen Roma-Minderheit, die mit ihren Liedern zur Gitarre den Papst begeisterten. Die soziale Lage vieler Roma-Familien ist auch in Ungarn prekär, ohne den Einsatz der Caritas und freiwilliger Helfer sähe es noch schlechter aus. "Wir brauchen eine Kirche, die die Sprache der Nächstenliebe fließend spricht, eine Universalsprache, die alle hören und verstehen - auch jene, die nicht glauben", sagte Franziskus in seiner lautstark beklatschten Ansprache.
Über die politische und gesellschaftliche Situation der Roma-Minderheit äußerte er sich diesmal nicht. Jedoch hatte er bereits am Vortag in seiner Ansprache an die politische Klasse des Landes an die ungarische Verfassung erinnert, in der es heißt: "Die mit uns zusammenlebenden Nationalitäten sind staatsbildender Teil der ungarischen politischen Gemeinschaft." Und weiter hatte er den Satz zitiert: "Wir bekennen uns zum Gebot der Unterstützung der Hilfsbedürftigen und der Armen."
Empfehlung von Jesus als dem "besten Trainer von allen"
Scheinbar unpolitisch war am zweiten Tag auch die Ansprache des Papstes vor rund 10.000 ungarischen Jugendlichen am Nachmittag in der Papp-Laszlo-Sportarena. Sie feierten den Papst und lauschten seinen Worten. Er konzentrierte sich auf die Beziehung der jungen Menschen zu Jesus, den er ihnen als "den besten Trainer von allen" empfahl.
Und er legte ihnen, ganz unzeitgemäß, das Beten, das Lesen von Büchern und Zeiten der Stille ans Herz, verbunden mit der Mahnung: "Aber die Stille ist nicht dazu da, um an Handys und sozialen Medien zu kleben; nein, bitte: das Leben ist real, nicht virtuell, es spielt sich nicht auf einem Bildschirm ab, sondern in der Welt! Die Stille ist also das Tor zum Gebet und das Gebet ist das Tor zur Liebe."