Es ist ein Novum - nicht nur in diesem Jahr, sondern überhaupt in der Geschichte der Auszeichnung: Erstmalig wird der Kunst- und Kulturpreis der deutschen Katholiken in der Kategorie Tanz vergeben.
Verliehen wird er von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) an die brasilianische Tänzerin und Choreographin Lia Rodrigues. Sie bringt seit Jahrzehnten Appelle gegen Diskriminierung und für mehr Humanität tänzerisch auf die Bühne.
Die 1956 in Sao Paulo geborene Künstlerin studierte zunächst klassisches Ballet und Geschichte, bevor sie sich ganz dem Tanz zuwendete. Ihr Lebenslauf umfasst unter anderem die Mitbegründung der Tanzgruppe Andanca im Jahr 1977, die nur ein Jahr später den brasilianischen APCA-Preis gewinnen sollte. Großen Einfluss hatten sodann die Jahre in Frankreich auf die Choreographin. Dort kam sie vor allem mit dem experimentellen Tanztheater in Kontakt.
Von Frankreich zurück nach Brasilien
So war sie unter anderem an der Entstehung von «May B» beteiligt - jener berühmten Produktion der Choreographin Maguy Marin, für das sie das literarische Werk Samuel Becketts als Grundlage verwendete und das bis heute als Meilenstein des Tanztheaters gilt. Doch Rodrigues blieb nicht auf Dauer in Frankreich, sondern zog zurück in die brasilianische Heimat.
In Rio de Janeiro gründete sie 1990 die Lia Rodrigues Companhia de Dancas (deutsch: Lia Rodrigues-Tanzkompanie). Mit der Kompanie professionell ausgebildeter Tänzerinnen und Tänzer erzielte sie beachtliche Erfolge im In- und Ausland. In den folgenden Jahren verband sie diese mit sozialem Engagement.
Das Tanzen mit sozialem Engagement verbunden
Seit dem Jahr 2004 bietet Rodrigues in der Favela de Mare in Rio Kunst- und Bildungsangebote an - zunächst in Kooperation mit einer Hilfsorganisation. 2009 öffnete sie das Centro de Artes, ein Kunstzentrum, das unter anderem die Tanzkompanie beherbergt. Seit 2011 ist in seinen Räumen zudem eine Tanzschule untergebracht, in der die Bewohner der Favela kostenfreien Tanzunterricht nehmen können. Einige von ihnen sind mittlerweile Mitglied der Kompanie.
Auszeichnung für "herausragende Leistungen"
Nun erhält Rodrigues am 28. September im Theater und Konzerthaus Solingen den Preis für "herausragende Leistungen im Schnittfeld von Kultur und Religion". Die Laudatio soll der Intendant der Deutschen Welle, Peter Limbourg, halten. Die Jury begründete ihre Wahl vor allem mit dem sozialen und politischen Dienst, den Rodrigues durch ihre Arbeit leiste. Die Künstlerin und ihre aus den Favelas in Rio zusammengestellte Kompanie tanzten mit "Zorn und mit Zärtlichkeit gegen Totalitarismus und für Humanität", so die Bischofskonferenz.
In ihren Stücken thematisiere Rodrigues "in kraftvoll-sinnlichen Szenen von barocker Bildkraft den Kampf um menschliche Würde und Menschenrechte", erklärte die Jury unter Vorsitz der Tanz- und Theaterwissenschaftlerin Gabriele Brandstetter. Rodrigues kombiniere ihr künstlerisches Tanzwerk mit humanitärem Engagement. Ihre Stücke "entstehen aus der Gemeinschaft mit den Ärmsten, mit den durch Rassismus und Diskriminierung Ausgeschlossenen".
Höchste kulturelle Auszeichnung der katholischen Kirche
Seit 1990 wird die Auszeichnung in Höhe von 25.000 Euro alle zwei bis vier Jahre verliehen - und ist die höchste Auszeichnung der katholischen Kirche auf dem Kultursektor. Zuletzt wurde der Preis 2017 vergeben. Damals ging er an den deutsch-französischen Komponisten Mark Andre. Rodrigues ist neben der Preisträgerin von 2008, der Drehbuchautorin Ursula Ehler-Dorst, die zweite Frau, die mit der Auszeichnung geehrt wird.
Der Preis soll der Choreographin zufolge auch den Tänzerinnen und Tänzern zugute kommen. Die Corona-Pandemie hat Brasilien, vor allem aber die Favelas und auch Rodrigues Tanzkompanie hart getroffen. "Das Preisgeld kann der Companhia dabei helfen, mehrere abgesagte internationale Auftritte auszugleichen und neue Produktionen für die Zeit danach vorzubereiten", zitiert die Bischofskonferenz die Künstlerin.