Der Auftakt der Karwoche hat in Jerusalem gleich mehrfach überrascht: ein Wolkenbruch, wie es ihn an Palmsonntag jahrelang nicht mehr gab; eine so hohe Teilnehmerzahl, die selbst die Optimisten überraschte; eine Stimmung, die sich wie ein trotziger Gegenpol zum anhaltenden Krieg anfühlte. Das Bedürfnis nach einem Moment der Normalität und Freude im allgegenwärtigen Leid war deutlich spürbar. Für die Karwoche, Ostern und darüber hinaus wünschen sich die Menschen hier nur eines: Endlich Frieden.
Pünktlich zu Beginn der traditionellen Palmprozession über den Ölberg öffnete sich der Himmel zum Wolkenbruch. Die Gläubigen nahmen es gelassen. "Endlich mal Palmsonntag ohne Sonnenbrand", scherzte ein deutscher Ordensmann. "Der Regen ist ein Segen", erwiderte eine ägyptische Ordensfrau, die dem Niederschlag in nahöstlicher Manier nur Gutes abgewinnen konnte. Zwischen die oft kunstvoll geflochtenen Palmwedel mischten sich also zahlreiche Regenschirme.
Wenn Freude den Alltag kurz vergessen lässt
"Wir haben im Regen angefangen und enden mit Sonne. Das sehe ich als Zeichen", sagte ein gut gelaunter Lateinischer Patriarch Pierbattista Pizzaballa zum Abschluss der Prozession im Hof der Annakirche in der Jerusalemer Altstadt. In einem anderen Punkt korrigierte sich der italienische Kardinal und Ordensmann nur zu gerne selbst. Er habe sich gesagt, die Zeiten seien angespannt und das Wetter schlecht, niemand werde zur Prozession kommen. "Aber ihr seid gekommen und habt unseren Tag zu einem glücklichen Tag gemacht." Diese Freude sei ansteckend, so Pizzaballa. Die Versammelten applaudierten ihm.
Der Krieg und das Leid im Land ließen sich nicht ausblenden, sondern schwebten "wie eine Wolke über uns", sagt Gabriele Penka der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Trotzdem sei es ein freudiges Ereignis, so die deutsche Benediktinerin, die als Verwalterin im Vikariat für Migranten und Asylsuchende tätig ist. "Wir haben uns auf diese Tage gefreut", betont auch der Repräsentant des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande und Leiter des Paulushauses, Ralf Rothenbusch. Gerade weil Krieg und Leid immer gegenwärtig seien, sei man "wirklich froh, mit anderen zusammen feiern zu können".
Und am Ende Licht und Sonnenschein
Beide hoffen auf eine "befreiende Feier" des Osterfests in der Heiligen Stadt. Letztlich sei es "das, was Ostern ist: das Feiern von Auferstehung, neuem Leben und Hoffnung". Oder mit den Worten des Patriarchen im Hof der Annakirche: Wie die Prozession in Sonnenschein ende, werde auch die Karwoche mit dem Licht der Auferstehung enden. Pizzaballa bescheinigte den Anwesenden Mut für ihr Kommen. Die wenigen ausländischen Pilger ermutigte er, nach ihrer Rückkehr bei anderen für Reisen ins Heilige Land zu werben. Auch rief er dazu auf, ganz besonders für die "Brüder und Schwester in Gaza" zu beten. Ein Ende ihres Leidens sei nicht in Sicht.
Die Menschen in Gaza hätten sie auf ihrem Prozessionsweg über den Ölberg begleitet, sagt die ägyptische Comboni-Schwester Amal. Es ist ihr erstes Ostern in Jerusalem, und "in den Spuren Jesu zu gehen" erfülle sie mit Gefühlen, die sich nicht in Worte fassen ließen. Ihr Name bedeute Hoffnung auf Arabisch, so die Ordensfrau. Ihre Hoffnung für Ostern 2025: "Dass dieser Krieg endet und Gott uns Frieden schenkt. Und jeder von uns soll dazu beitragen."
Friede sei auch sein einziger Wunsch für diese Zeit, sagt Rami. Der Jerusalemer Christ lebt auf dem Ölberg, dem Zugweg der traditionellen Palmprozession. Auch wenn in anderen Jahren viel mehr Menschen an der Prozession teilgenommen hätten, sei er wie der Patriarch überrascht, wie viele trotz der Situation gekommen seien.
Aufatmen für einen Moment
Die für die christlichen Feste im Heiligen Land charakteristischen Dudelsäcke und Trommeln der Pfadfinder schwiegen auch in diesem Jahr aus Respekt vor dem Leid der Menschen in Gaza. Der Umzug der Pfadfinder, ein lokaler Höhepunkt des Jerusalemer Palmsonntags: auf ein rituelles Minimum verkürzt. Trotzdem sind im christlichen Altstadtviertel die Cafés bis spät am Abend gefüllt, lassen gefüllte Gläser und arabische Gesänge das Kriegsgeschehen für kurze Zeit ausblenden. Es ist das dringend benötigte Aufatmen und Atempause zugleich.