Territoriale Seelsorge im Erzbistum Köln steht vor Wandel

Es braucht noch viele Anstrengungen

Nach der Einrichtung von 67 neuen "Pastoralen Einheiten" durch Kardinal Woelki am 1. September haben sich Markus Bosbach und Simon Schmidbaur zum Gespräch getroffen. Dabei ging es um die Zukunft der territorialen Seelsorge.

Diplom-Theologe Simon Schmidbaur (r.) mit Domkapitular Msgr. Markus Bosbach / © Robert Boecker (Kirchenzeitung Koeln)
Diplom-Theologe Simon Schmidbaur (r.) mit Domkapitular Msgr. Markus Bosbach / © Robert Boecker ( Kirchenzeitung Koeln )

Kirchenzeitung Köln: Monsignore Bosbach, mit der Neustrukturierung im Erzbischöflichen Generalvikariat ist ein Teil Ihrer früheren Aufgaben in der Hauptabteilung "Entwicklung Pastorale Einheiten" auf den Bereich "Strategie" übertragen worden. Was haben Sie dorthin übergeben?

Msgr. Markus Bosbach (ehemaliger stellvertretender Kölner Generalvikar, Kölner Domkapitular): Die Verantwortung für die Entwicklung der pastoralen Einheiten. Es ist ein Prozess, der zunächst mal unabhängig ist von der Neustrukturierung des Generalvikariats und der schon lange im Erzbistum Köln läuft. Es geht darum, die notwendigen Konsequenzen aus massiven Veränderungen zu finden: Ein signifikanter Rückgang des kirchlichen Lebens auf allen Ebenen, eine deutliche Reduktion der Finanzkraft, verschärfend ein sehr deutlicher Schwund in allen pastoralen Diensten sowie ein massiver Fachkräftemangel.

Domkapitular Msgr. Markus Bosbach / © Robert Boecker (Kirchenzeitung Koeln)

Das hat Auswirkungen auf die territoriale Struktur eines Bistums. Kein Bistum hat zur Lösung dieser Probleme andere Ideen gehabt. Wir müssen in den uns auch durch die kirchliche Verfassung vorgegebenen Strukturen reagieren. Da haben wir die Entwicklung der pastoralen Einheiten auf den Weg gebracht, auch mit noch manchen offenen Fragen, die ich Herrn Schmidbaur hinterlassen musste. Unter anderem steht die Entscheidung darüber aus, welche Rechtsform die zukünftigen Einheiten haben. Das ist eine heiße Diskussion im Erzbistum Köln. Vieles andere ist auf den Weg gebracht, aber noch nicht in die Umsetzung gekommen. Das sind alles die offenen Fäden, die jetzt Herr Schmidbaur weiter knüpfen und hoffentlich mit vielen Menschen zu einem sinnvollen Ganzen zusammenbinden muss.

Kirchenzeitung: Herr Schmidbaur, Sie kommen von außen und kennen das Erzbistum nur wenig. Ist das eine Chance oder eine Last?

Simon Schmidbaur (Diplom-Theologe, Bereichsleiter "Strategie" Erzbistum Köln): Ich sehe es vor allem als Chance. Ich sage das in aller Offenheit, dass wir im Erzbistum Köln ja eine Situation haben, wo von einer Vertrauenskrise die Rede ist, wo in den Beratungsprozess immer wieder durchscheint, wie schwer sich auch Menschen tun, die in der Vergangenheit hier schon in verschiedenen Konstellationen Verantwortung getragen haben, sich auf diesem Weg der Veränderungen gemeinsam zu begeben.

Dort jetzt gewissermaßen unbelastet von außen hinein zu kommen, noch mal eine neue Perspektive mit einbringen und auch vorbehaltlos auf die Menschen zugehen zu können, das erlebe ich in den ersten Wochen, in denen ich viel im Erzbistum unterwegs bin. Es ist auch eine Herausforderung, weil Monsignore Bosbach, der aus diesem Erzbistum kommt und eine lange Zeit Verantwortung trug, eine ganz andere Kenntnis vom Erzbistum Köln mitbrachte, die ich mir erst erarbeiten muss. Umgekehrt müssen die Leute auch erst mich kennenlernen.

Monsignore Bosbach hat gesagt, da seien ein paar lose Fäden, die er übergeben hat. In den letzten Wochen hatte ich mehrmals die Gelegenheit, mit ihm das Gespräch zu suchen, Hintergründe sowie Entwicklungen zu verstehen und aus seinem Erfahrungsschatz zu schöpfen, sodass ich wirklich sage, es ist vor allem eine Chance. Bei den Herausforderungen bin ich gut unterstützt.

Kirchenzeitung: Wie würden Sie die Herausforderungen umschreiben?

Simon Schmidbaur

"Umbruch bringt bei vielen Unsicherheit, Unbehagen, Angst ..."

Schmidbaur: Die Herausforderung ist, dass wir auf der einen Seite massiv veränderte Rahmenbedingungen haben. Man kann nicht deutlich genug darauf hinweisen, in welchem epochalen Umbruch wir uns als Kirche in Deutschland befinden. Wir sind auch mit einer Glaubenskrise konfrontiert. Auf der anderen Seite kommt natürlich durch diesen Umbruch bei vielen Unsicherheit, Unbehagen, Angst vor dem auf, was kommt. Das Vertraute ist nicht mehr. Aber wir haben noch keine klaren Vorstellungen, wie es zukünftig wird. Da gibt es die Reaktion, erst einmal auf das Bewahren zu schauen. Das hilft uns bei der Bewältigung dieser       Herausforderungen aber nicht weiter. Damit muss man behutsam umgehen. Man muss nach neuen Wegen zu suchen und die Menschen mitnehmen, die am Vertrauten hängen.

Kirchenzeitung: Herr Bosbach, welche "Pflöcke" haben Sie eingeschlagen, an denen man nicht mehr vorbeikommt?

Bosbach: Die Frage ist falsch gestellt, weil ich keine Pflöcke eingeschlagen habe. Das war nie meine Aufgabe. Meine Aufgabe war es an der Vorbereitung von Entscheidungen und an deren Umsetzung mitzuwirken. Die Entscheidungen im Erzbistum Köln sind erarbeitet worden. Fachliche Vorarbeit ist in Konferenzen der Gremien geleistet worden. Ich habe immer versucht, ehrlich zu sein und das Portfolio der Problematiken aufzuzeigen, die Herausforderungen zu benennen, gleichzeitig aber auch immer versucht, Wege zu finden. Da ist mir sicherlich zugutegekommen, dass ich das Erzbistum kenne, weil ich ja nicht erst seit 2021 im Bistum bin, sondern eben jetzt elf Jahren im Generalvikariat und vorher auch schon lange als Dechant und Priester. Das ist natürlich ein Vorteil, den kann ein Neuer so erst mal nicht haben.

Msgr. Markus Bosbach

"Ich habe lösungsorientiert versucht, dass es irgendwie weitergeht ..."

Aber er hat vielleicht dafür andere Vorteile. Was ich versucht habe, ist ja für eine Kultur zu stehen, wo man erst mal Probleme miteinander bespricht, wo man lösungsorientiert versucht, dass es irgendwie weitergeht. Das war immer mein Stil, in den Dekanaten und Konferenzen einfach auch zu hören, meine Position einzubringen und zu versuchen, pragmatisch, lösungsorientiert voranzugehen. Als Hauptabteilungsleiter "Seelsorgebereiche" konnte ich zum Beispiel auch in bestimmten Rahmen auf die Fachbereiche Finanzen, Recht und Personal zugreifen. Herr Schmidbaur steht jetzt vor der Herausforderung, diese Themen über die verschiedenen Ressorts in der neuen Organisationsstruktur hin zu vernetzen, damit in der Entwicklung der pastoralen Einheiten all das, was gebraucht wird, auch wirklich zusammenkommt. Das ist schon respektabel, dass er das jetzt angeht, und ich hoffe, dass das zum Wohle der Menschen vor Ort auch gelingt.

Kirchenzeitung: Herr Schmidbaur, warum sind Sie der richtige Mann für diese Aufgabe?

Schmidbaur: Ich würde eher beschreiben wollen, was mich an der Aufgabe reizt und was ich dafür mitbringe: Es ist die Frage, wie wird gemeindliches Leben vor Ort zukünftig gestaltet sein. Entscheidend ist, wie es uns in Zukunft gelingt, den Glauben weiterzugeben, Menschen von der Botschaft Jesu zu überzeugen. All das, was wir an Strukturen und Organisationen entwickeln, ist wichtig. Wichtiger ist, wie wird zukünftig kirchliches Leben vor Ort aussehen. Es ist gerade eine spannende Phase der Entwicklung. Sie ist schwierig. Aber in diesem Umfeld gestalterisch tätig zu sein, das hat mich sehr gereizt. Das durfte ich schon bei meinen bisherigen beruflichen Stationen unter Beweis stellen, sei es in der Beratungstätigkeit, in Projekten oder in der früheren Aufgabe in der Erzdiözese Wien: Unter schwierigen Rahmenbedingungen trotzdem gestalterisch tätig zu sein, alle Menschen mitzunehmen und gemeinsam in einem gesunden Pragmatismus an Lösungen zu arbeiten.

Kirchenzeitung: Hat Ihre Arbeit dann eher einen moderierenden oder einen gestalterischen Charakter?

Simon Schmidbaur

"Es wird Phasen geben, in denen wird man auch für unbequeme oder für schwierige Entscheidungen mit einstehen müssen."

Schmidbaur: Ich würde das nicht als Gegensatz sehen. Es gibt, es gibt Situationen, in denen geht es vor allem darum, durch das Wort, durch eine Moderation, durch eine Koordination die Potenziale zu heben und zur Entfaltung zu bringen, die da sind.

Das eigentliche Potenzial für die Entwicklung liegt vor Ort. Der gestalterische Aspekt ist dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen, in denen das stattfindet, transparent, verlässlich und nachvollziehbar sind. Deswegen wird es beide Aspekte brauchen. Es wird Phasen geben, in denen wird man auch für unbequeme oder für schwierige Entscheidungen mit einstehen müssen. Aber am Ende wird es uns nur gemeinsam gelingen.

Kirchenzeitung: Sind Sie viel in der Diözese unterwegs, um mit den Menschen zu sprechen?

Schmidbaur: Das war eigentlich eines meiner ersten Anliegen dass ich nach den Pfarrern und nach der Seelsorge gefragt habe, nach Bereichen, die mir einen ganz guten Einund Überblick geben, nach einem Querschnitt durch das Erzbistum. In den vergangenen Wochen war ich viel unterwegs. Jede Woche zwei bis drei Besuche. Es geht nicht darum, eine Werbetour zu machen, weder für mich noch für irgendein Thema, sondern den Austausch zu suchen. Das erlebe ich als eine große Bereicherung.

Msgr. Markus Bosbach

"Man wundert sich, wie stark manchmal doch wirklich Kirchturmdenken ist."

Bosbach: Ich halte das für sehr wichtig und gut. Denn Herr Schmidbaurer macht so weiter, wie ich letztlich aufgehört habe. Wir hatten angefangen, sogenannte Perspektivgespräche vor Ort zu führen. Einige der zukünftigen oder jetzt errichteten pastoralen Einheiten konnte ich auf diese Weise kennenlernen. Wo stehen sie? Was steht da an? Wir sind im Bistum mit einer ganz hohen Ungleichzeitigkeit unterwegs. Das hat nicht nur mit Stadt und Land zu tun, sondern das hat mit konkreter Geschichte vor Ort zu tun, mit Persönlichkeiten, mit Akteuren. Wir haben Situationen, wo heute schon die Leute mit den Füßen scharren im Hinblick auf die kommenden Veränderungen – und fragen, wann es endlich los gehe. Auf der einen Seite habe ich aber auch pastorale Einheiten erlebt, wo ich so aus meiner persönlichen auch pastoralen Erfahrung mich fragte, was haben die eigentlich in den letzten Jahren auf dem Feld von Zusammenarbeit von sich aus gemacht? Fast nichts.

Man wundert sich, wie stark manchmal doch wirklich Kirchturmdenken ist, wenn man eigentlich die Herausforderung kennt, die nicht erst seit gestern auf dem Tisch liegen.

Das muss jetzt irgendwie alles zusammengebracht werden. Da kann es nicht 67 Einzellösungen am Ende geben, sondern unter bestimmten strukturellen Fragestellungen muss es auch Klarheiten geben. Das steht jetzt an, und ich persönlich glaube auch selbstkritisch, dass wir ein bisschen zu lange im Überlegen, im Planen und im Diskutieren gefangen waren. Ich glaube, die Entscheidungen, die jetzt anstehen, hätten viel früher getroffen werden müssen und auch können. Das hat sehr komplexe Ursachen, dass es nicht so gekommen ist. Da spielt sicherlich auch insgesamt die Krise im Bistum eine Rolle. Aber ich wünsche allen Verantwortlichen, dass es bald zu den notwendigen Entscheidungen kommt und dass es dann auch den Mut gibt, wirklich in eine konsequente Umsetzung zu gehen.

Warum? Ich glaube – und das weiß jeder, der mit Veränderungsprozessen zu tun hat –, wenn Dinge nicht klar sind, dann kommt es zu Aggressions-Logiken, also zu Ablehnungen. Man bleibt lieber im Bewahren. Das müssen wir jetzt überwinden. In vielen Seelsorgebereichen, in denen jetzt schon zum Teil große Veränderungsprozesse stattgefunden haben, ist es ja nicht so, dass da keine Erfahrungen sind. Die tun sich viel leichter mit diesen Schritten, weil sie eben genau diese Erfahrung schon gemacht haben. Wenn man mal da rauskommt aus der Fusion, kann man sich den neuen Dingen annähern, kann sich neugestalten und es macht auch Freude. Jetzt diese Ungleichzeitigkeit zu begleiten, vor dieser Aufgabe von Herrn Schmidbaur habe ich großen Respekt.

Kirchenzeitung: Was glauben Sie, muss eine Pfarrgemeinde in der Zukunft auszeichnen?

Msgr. Markus Bosbach

"Nicht nur noch auf irgendwelchen hohen Ebenen schweben ..."

Bosbach: Was nicht passieren sollte, ist, dass am Ende kirchliches Leben vor Ort oder die, die sich engagieren, so wahrgenommen werden, als seien sie ein Verein unter anderen, also sozusagen als eine Möglichkeit, seine Freizeit zu gestalten. Ich glaube, es braucht vor Ort viel Kraft zu gucken, wie wir wirklich einladend, wie wir offen sein können. Es fängt ganz banal mit der Begrüßung an der Kirchentür an, geht über die Attraktivität der Internetseite, über die Verfügbarkeit von Seelsorge. Das wird eine große Herausforderung, dass die Menschen im seelsorglichen Dienst erreichbar sind und ansprechbar bleiben. Dass Pfarrer, Kapläne, Diakone, Pastoralund Gemeindereferenten nicht nur noch auf irgendwelchen hohen Ebenen schweben, sondern trotz aller Verantwortung für das größere auch in seelsorgerlicher menschlicher Nähe bleiben. Ich hoffe, wenn irgendwann dieser Transformationsprozess in großen Schritten gegangen wurde, dass dann die Freiräume auch wirklich für die Seelsorge neu entdeckt werden können. Wenn wir das nicht mehr bieten, dann können wir eigentlich zumachen. Also wenn wir nur noch – ich sage jetzt mal etwas überspitzt – uns selbst bespaßen, wenn das die ganze Energie absorbiert, dann haben wir, glaube ich, am Ende auch etwas falsch gemacht.

Kirchenzeitung: Wir haben ja schon mehrfach von der Krise der Kirche gesprochen, auch von der Krise des Erzbistums. Hat das Bistum angesichts von über 50.000 Kirchenaustritten bei uns jährlich und angesichts einer extremen Frustration in vielen Gemeinden die Kraft, diese Prozesse in Gang zu setzen?

Schmidbaur: Genau diese Frage kann man sich stellen, wenn man gewissermaßen von oben oder außen auf die Situation schaut. Die Frage wird bei mir kleiner, wenn ich mit den Menschen vor Ort spreche. Ich glaube, wir haben die Kraft. Das ist das Spannungsfeld, in dem wir uns bewegen und das Monsignore Bosbach richtig beschrieben hat: Je länger die Phase der Unsicherheit bleibt, umso größer werden die Abwehrmechanismen. Es heißt da rasch für Klarheit in den Rahmenbedingungen zu sorgen, ohne zu verkennen, dass die Situation so ungleich ist, dass wir von zu vielen Ungleichzeitigkeiten geprägt sind. Das ist die eigentliche Herausforderung. Das hat dann unterm Strich weniger mit einer Krisensituation zu tun, auch wenn man natürlich sagen muss, dass in anderen Diözesen vielleicht manche Schritte in einer größeren Unbefangenheit oder doch auch mehr von oben herab verordnet passieren können, als es hier im Moment klug ist.

Msgr. Markus Bosbach

"Dass Menschen ihr Engagement mit der Begründung einstellen, dass sie das unter diesem Erzbischof nicht mehr können, das erfahren Pfarrer und Verantwortliche in Gemeinden sehr hautnah."

Bosbach: Also ich stimme dem Letzten zu. Aber die Entwicklung ist bei uns im Erzbistum noch mal verschärft, dass eben wirklich engagierte Menschen die Kirche verlassen, ihr Engagement mit der Begründung einstellen, dass sie in diesem Bistum, unter diesem Erzbischof, das nicht mehr können. Das erfahren Pfarrer und Verantwortliche in Gemeinden sehr hautnah. Das haben sie auch immer wieder benannt in Konferenzen. Das ist schon etwas Spezielles derzeit in unserem Bistum. Das muss man sehen. Man darf es nicht wegreden, finde ich. Also ich habe das nie getan vor Ort, sondern immer von mir aus auch offen angesprochen, um einfach deutlich zu machen, dass auch, was immer so als Bistumsleitung bezeichnet wird, kein monolithischer Block ist, sondern auch wir haben untereinander unterschiedliche Sichten auf diese Thematik. Das kann helfen, überhaupt vor Ort auch ins Gespräch zu kommen. Wenn an der Spitze ein Hirte steht, der seine Herde führt, der durch seine Persönlichkeit Ideen hat, durch sein Auftreten und vielleicht auch durch sein Umgehen mit Mitchristen genügend Leute mitziehen kann, dann glaube ich, hat das eine andere Wirkung, als wenn wir so den Eindruck haben, alles ist da irgendwie gelähmt. Das ist mein ganz persönliches Empfinden.

Kirchenzeitung: Was sollen Menschen, die von außen kommen, mit einer katholischen Gemeinde verbinden?

Bosbach: Ich halte nach wie vor für ganz lehrreich, was ich auf meiner Reise in den USA festgestellt habe. Da waren es einfach ein paar ganz kurze Erfahrungen: Menschen sollen sich willkommen fühlen. Sie sollen das, was dort gefeiert wird, mitvollziehen können und dazu Hilfen erfahren. Sie sollen die Möglichkeit haben, Anknüpfungspunkte zu finden, um Gutes, also Karitatives zu tun. Ganz konkret. Sie sollen das Gefühl haben "ich bin zunächst mal akzeptiert" mit meiner Geschichte und wie ich bin. Menschen wollen eine Botschaft hören, die für ihr Leben Relevanz hat. Dann wäre wichtig für mich, dass diese Gemeinde nicht beliebig wird, sondern als katholische Gemeinde in der Einheit mit den anderen Gemeinden steht, mit der Diözese, mit der Welt. Also das ist, glaube ich, auch ein ganz großes Pfund, beispielsweise mit den vielen Katholiken aus anderen Muttersprachen, die das gottesdienstliche Leben in der Kölner Innenstadt prägen, was ich derzeit hier so wahrnehme.

Damit verbunden ist es letztlich eine Fragestellung, die, glaube ich, viele Seelsorgebereiche oder zukünftige pastoralen Einheiten noch sehr umtreiben wird, die aber auch ein Bistum nicht zentral beantworten kann: Wo wollen wir vor Ort in einer pastoralen Einheit unsere Ressourcen hineinstecken?

Schmidbaur: Viele wollen das Gefühl haben, das hat etwas mit mir zu tun, was dort geschieht. Im besten Fall gelingt es, diese Menschen in Berührung zu bringen mit der heilbringenden Botschaft Jesu, die unser bleibender Auftrag ist, an die Menschen zu verkünden. Das ist keine Geringschätzung für diejenigen, die sich auch für die Strukturen, für die Handlungsfähigkeit, für die äußere Form, für die weltliche äußere Form engagieren, die wir brauchen, wenn wir in dieser Gesellschaft in Deutschland tätig werden wollen.

Kirchenzeitung: Wo wollen wir in zehn Jahren stehen?

Schmidbaur: Ich wünsche mir sehr, dass es uns gelingt, die belastenden Strukturund Organisationsdebatten zu diesem Zeitpunkt hinter uns gelassen zu haben und uns gemeinsam darauf fokussieren, wie wir Kirche heute und morgen sein wollen. Dementsprechend hoffe ich, dass wir den schwierigen Prozess der Strukturveränderungen gegangen sind und an vielen Stellen die Erfahrung ermöglicht wurde: Wir haben das überlebt, wir gestalten weiter Gemeinde und Kirche vor Ort und können uns dem widmen, wofür wir eigentlich da sind, nämlich unseren Glauben weiter zu tragen.

Das Interview führte Robert Boecker, Chefredakteur der Kirchenzeitung im Erzbistum Köln.