Theologe analysiert die Bedeutung des Esels an Palmsonntag

Grautier und Graffito

Unter den "Hosiana"-Rufen der Menge zieht Jesus an Palmsonntag in die Stadt ein – und das nicht etwa hoch zu Ross, sondern auf einem Esel. Tiertheologe Gregor Taxacher von der Universität Dortmund ordnet das Tier theologisch ein.

Ein Esel / © Dragonika (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Was bedeutet es, dass Jesus auf einem Esel geritten kommt und nicht etwa auf einem edelgeschmückten Pferd? 

Gregor Taxacher (Tiertheologe an der Universität Dortmund): Wie so häufig muss man, wenn man neutestamentliche Stellen deutet, erstmal ins Alte Testament gucken. Und beim Propheten Sacharja gibt es eine Stelle, wo der künftige Friedenskönig oder auch der Messias erwartet wird. Da kommen dann auch diese berühmten Worte "Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem!", die auch in Palmsonntags-Liedern vorkommen. "Sieh, Dein König kommt zu dir", sagt der Prophet weiter. "Gerecht ist er ein Retter. Demütig ist er und reitet auf einem Esel."(Sacharja 9,9) Das heißt, ist der Esel ein Symbol für Demut, weil einfache Menschen damals eben auf Eseln daherkamen.

Das Pferd ist ein Tier, noch nicht mal nur der Reichen, sondern eher auch der Obrigkeit und vor allen Dingen des Militärs. Denn direkt danach heißt es bei diesem Propheten: "Ausmerzen werde ich alle Streitwagen, spricht Gott, und die Rosse aus Jerusalem. Ausgemerzt wird der Kriegsbogen." Das Pferd wird in dieser Zeit im Alten Testament mit Krieg assoziiert, weil als Kriegstier die Streitwagen gezogen hat. Anders hat man sich ein Pferd nicht leisten können.

Das Pferd im Grunde genommen im Alten Testament ein ganz schlechten Ruf, weil es eben ein Symbol von Krieg und Unterdrückung war. Und indem Jesus auf einem Esel einreitet, identifiziert er sich mit dieser Weissagung. Das heißt natürlich indirekt: "Hier ist der Messias, der Friedenskönig", der auf dem Tier der einfachen Leute und des Friedens kommt – der Esel. 

DOMRADIO.DE: Stehen Tiere in der Bibel in erster Linie als Symbole für etwas oder geht es auch um die Tiere als solches, also Tiere als Geschöpfe Gottes? Wie ist das hier im Fall unseres Esels? 

Gregor Taxacher (Tiertheologen Universität Dortmund)

"In dieser Sabbat Vorschrift im Alten Testament gehören die Tiere genauso wie die Angestellten zum Hausstand und man hat auch für sie mitzusorgen."

Taxacher: Gerade beim Esel kann man das schön zeigen an einer Stelle in den Büchern Moses im Alten Testament. Dort gibt es die alltäglichen Verhaltensbestimmungen und im Sabbat Gebot, wo ja alle ruhen sollen, heißt es, dass mit der Familie, mit den Familienangehörigen, auch mit den Knechten und Sklaven, auch die Tiere ruhen sollen.

Und da wird ausdrücklich auch der Esel genannt. Er war das Hauptarbeitstier der einfachen Leute. In dieser Sabbat Vorschrift im Alten Testament gehören die Tiere genauso wie die Angestellten zum Hausstand und man hat auch für sie mitzusorgen. Und insofern kann man sagen, dass der Blick auch den Tieren gilt, die zum Hausstand gehören.

DOMRADIO.DE: Gerade was den Esel angeht, gibt es ja auch spannende neue Erkenntnisse in der Theologie. Die haben unter anderem mit einem Esel-Kruzifix aus dem dritten Jahrhundert zu tun. Was hat es damit auf sich?

Das Graffito 'Alexamenos betet seinen Gott an' zeigt die Darstellung eines gekreuzigten Christus mit Eselskopf. Es ist ein Graffito aus einer Wachtstube des Kaiserpalastes auf dem Palatin in Rom, vermutlich aus der Zeit um 125 nach Christus. / © Michael Merten (KNA)
Das Graffito 'Alexamenos betet seinen Gott an' zeigt die Darstellung eines gekreuzigten Christus mit Eselskopf. Es ist ein Graffito aus einer Wachtstube des Kaiserpalastes auf dem Palatin in Rom, vermutlich aus der Zeit um 125 nach Christus. / © Michael Merten ( KNA )

Taxacher: Es ist im Grunde eine Kritzelei, die im 19. Jahrhundert in Rom, auf dem Palatin, also in den Trümmern des alten Roms, entdeckt worden ist. Heute würde man das Graffitti nennen, da hat jemand irgendwas an eine Wand gekritzelt. Diese Zeichnung zeigt sehr rudimentär ein Kreuz, an dem eine Person mit Armen und Beinen und mit einem Eselskopf hängt. Davor ist ein Mann in einer anbetenden Haltung zu sehen. Auf griechisch steht darunter: "Alexamenos betet seinen Gott an." Laut der archäologischen Deutung sei das ein Spott-Kruzifix.

Man ist davon ausgegangen, hier ist irgendein Frühchrist durch so eine Karikatur verspottet worden. Das er einen Gott anebetet, der am Kreuz hängt, das ist an sich schon verrückt. Und dieser Gott wird dann auch noch als Esel dargestellt. Heutzutage ist der Esel ja auch immer noch ein bekanntes Schimpfwort. Mit unserer Forschungsgruppe zu Tiertheologie haben sich die Kolleginnen vor allen Dingen die Eselsdarstellungen in der jüdischen Literatur der damaligen Zeit herangezogen und haben festgestellt: Der Esel hat in dieser Zeit überhaupt nicht die Konnotation, ein dummes Tier zu sein und wird nicht als Spott verwendet.

Der Esel steht für Geduld, er steht auch für ertragenes Leiden. Man muss sich vorstellen, diese Tiere sind auch damals furchtbar geschunden worden und standen auch für unschuldiges Leiden. Die Kollegen vermuten deshalb, dass dieses Eselskruzifix eine Selbstdarstellung dieses Christen ist, der einen gekreuzigten Jesus anbete und der wird als Esel dargestellt ist. Das würde dafür sprechen, dass das ein Christ jüdischer Herkunft ist, der den Gottessohn nicht in menschlicher Gestalt malen möchte, weil das dem Bilderverbot nicht entspricht und ihn deshalb in Gestalt eines Tieres darstellt.

Gregor Taxacher (Tiertheologen Universität Dortmund)

"Das kommt uns heute vielleicht fast blasphemisch oder merkwürdig vor, dabei machen wir es an Ostern immer noch so, nur mit einem anderen Tier: Wir nennen Jesus das Lamm Gottes."

Das kommt uns heute vielleicht fast blasphemisch oder merkwürdig vor, dabei machen wir es an Ostern immer noch so, nur mit einem anderen Tier: Wir nennen Jesus das Lamm Gottes. Und auch da ist klar: Das Lamm ist das Tier der Unschuld, das Tier, das jung geschlachtet wird. Deswegen steht es für Jesu Tod und für die Umkehrung der Werte, dass der Leidende, der zu Unrecht ermordete, von Gott erhöht wird und als Sohn Gottes anerkannt wird. Und da funktioniert das Lamm genauso wie der Esel, auch wenn uns das heute als ungewöhnlich erscheint.

Das Interview führte Elena Hong. 

Palmsonntag

Der Palmsonntag ist der erste Tag der Karwoche und erinnert an den Einzug Jesu in Jerusalem. Der Evangelist Matthäus schreibt über den Ritt Jesu auf einem Esel vom Ölberg hinunter in die Stadt: "Viele Menschen breiteten auf dem Weg ihre Kleider aus, andere schnitten Zweige von den Bäumen und streuten sie auf die Straße."

Prozession an Palmsonntag auf dem Petersplatz  / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Prozession an Palmsonntag auf dem Petersplatz / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR