Theologe auf Spurensuche bei aramäischen Christen

Sprache Jesu vor dem Aus?

Latein? Griechisch? Nichts von alledem sprach Jesus, stattdessen: Aramäisch. Eine kleine Gruppe irakischer Christen spricht heute noch ähnlich wie Jesus. Doch die Flucht vor dem IS könnte sie Heimat und Sprache kosten.

Autor/in:
Sabine Just und Karin Wollschläger
Schulheft mit aramäischer Schrift / © Stefanie Järkel (dpa)
Schulheft mit aramäischer Schrift / © Stefanie Järkel ( dpa )

Soeben wurden in Deutschland die neuen Bibelübersetzungen von Katholiken und Protestanten stolz präsentiert. Näher am sogenannten Urtext will man damit sein. Der Urtext - er ist im Alten Testament zumeist in hebräischer und aramäischer Sprache.

Aramäisch, das war die Muttersprache Jesu. 2.000 Jahre später gibt es immer noch eine kleine Gruppe Christen, die sie sprechen und in ihr beten. Doch sie sind bedroht, denn die Heimat der letzten rund 100.000 sogenannten aramäischen Christen ist der Irak.

Muttersprache Jesu vor dem Aussterben?

Der Theologe und Lyriker Andreas Knapp lernte in Leipzig einige von ihnen kennen, die nach Deutschland geflohen sind. Er freundete sich mit ihnen an. Schließlich reiste der Ordensmann der Gemeinschaft "Kleine Brüder vom Evangelium" mit ihnen in den Irak. Seine Erfahrungen hat er jetzt als Buch veröffentlicht. Ihn treibt die Sorge um, dass angesichts der Nahost-Kriege die Muttersprache Jesu bald ausstirbt.

"Für mich war es eine Überraschung zu erfahren, dass es noch aramäischsprachige Christen gibt", erzählt der 58-jährige Arbeiterpriester. Das sei ihm auch als Theologe gar nicht so bewusst gewesen. "Ich war sehr berührt, das 'Vater Unser' in der Muttersprache Jesu zu hören, also im O-Ton Jesu." Vor allem die Christen rund um die irakische Stadt Mossul sprechen so. Doch fast muss man sagen: sprachen so.

Denn viele sind nicht mehr da. 2014 begann die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), sie zu vertreiben. Heute leben die meisten aramäischen Christen als Flüchtlinge über die ganze Welt verstreut. Zum Teil warten sie noch in Flüchtlingslagern im Norden des Irak im autonomen Kurdengebiet auf eine Zukunft. Nach Einschätzung des Nahost-Experten Otmar Oehring werden nach Mossul aber wohl keine Christen zurückkehren.

Zunehmende Spaltung zwischen Muslimen und Christen

Der Koordinator Internationaler Religionsdialog der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) beobachtet eine zunehmende Spaltung zwischen Muslimen und Christen: "Dass Versöhnung noch möglich ist, muss man leider immer deutlicher bezweifeln." Häuser von Christen seien gekennzeichnet worden, Nachbarn und Kollegen hätten Christen signalisiert, dass in der nordirakischen Stadt kein Platz mehr für sie sei.

Andreas Knapp konnte vor Ort selbst sehen, welche Spur der Verwüstung der IS nach sich zieht. Etwa am Beispiel der Klöster. Davon gab es früher Dutzende im Irak. Eine erste Zerstörungswelle erfolgte 1915 bis 1917 im Zuge eines Völkermords an rund 300.000 syrischen Christen, darunter auch sämtliche Mönche des berühmten und ältesten Klosters Mor Gabriel. Mit dem Aufkommen von Al-Kaida wuchs ab den 1990er Jahren erneut massiv der Druck auf die Christen im Irak.

"Als dann der IS kam, gab es noch ein Kloster in der Nähe von Mossul, das wurde gesprengt, die Handschriften zerstört", berichtet Knapp. Inzwischen gebe es nur noch ein christliches Kloster im Irak, Mor Mattai. Dieses gehe zurück auf die Wurzeln des Mönchtums aus dem 4. Jahrhundert. Wichtige Zeugnisse des frühen Christentums wurden vernichtet.

Doch nicht nur das: "Auch die Sprache des frühen Christentums, das Aramäische, geht durch die Flucht der Christen verloren", befürchtet Knapp. Denn nach ein, zwei Generationen würden die geflohenen Familien aller Voraussicht nach die Sprache der neuen Heimat sprechen. "Es wird sicher noch ein paar Gruppen geben, die das in der Liturgie sprechen werden. Aber als Umgangssprache und Alltagssprache befürchte ich, dass diese Sprache untergehen wird", bedauert Knapp.


Quelle:
KNA