Theologe Beinert hält Fazit zum Pontifikat Benedikts XVI. für verfrüht

Bewahrer der Tradition oder Kirchenreformer?

Für eine abschließende Bilanz des Pontifikats von Benedikt XVI. ist die Zeit noch nicht reif, sagt der Theologe Wolfgang Beinert. Fraglich ist, ob Benedikt XVI. der "letzte Vertreter eines antimodernistischen Papstverständnisses" sei.

Papst Benedikt XVI. im Jahr 2005 / © Wolfgang Radtke (KNA)

In einem Beitrag der "Herder Korrespondenz" (April) erklärt der langjährige Weggefährte Joseph Ratzingers 20 Jahre nach dessen Wahl zum Papst, die langfristige Deutung seines Pontifikats sei noch offen, weil die Kirche sich in einem epochalen Umbruch befinde.

Wolfgang Beinert, Theologe, emeritierter Professor und Publizist, in Pentling am 20. Januar 2023. / © Barbara Just (KNA)
Wolfgang Beinert, Theologe, emeritierter Professor und Publizist, in Pentling am 20. Januar 2023. / © Barbara Just ( (Link ist extern)KNA )

Mit einiger Sicherheit lasse sich allerdings bereits sagen, dass Papst Benedikt an sich selbst gescheitert sei. Beinert bilanzierte: "Er galt als Mozart der Theologie auf dem Papstthron, aber gerade darin bestand die Tragik seines Lebens. Sein Denken und seine Handlungsoptionen machten sich an einem Welt- und Kirchenbild fest, das statisch war." 

Die Kategorie der Geschichtlichkeit habe vielfach gefehlt. Angesichts der Beobachtung, dass die Grundlagen des Christglaubens ins Wanken geraten seien, habe sich seine Energie auf die Defensive beschränkt, analysiert Beinert.

Amtsverzicht als epochaler Schritt?

Welche Kirchenkonzeption sich in der römisch-katholischen Glaubensgemeinschaft durchsetzen werde, liege noch im Nebel, schreibt Beinert. Es sei noch nicht deutlich, ob Papst Benedikt der "letzte Vertreter eines antimodernistischen Papstverständnisses" sei, oder ob dieses weitergetragen werde.

Andernfalls könnte das Pontifikat Bendikt XVI. durch den spektakulären Amtsverzicht auch als "neues Kapitel in der Geschichte der Petrusnachfolger gelesen werden", meint der Theologe. Der komplette Einblick in die Gründe und Hintergründe dieses Schritts werde erst möglich sein, wenn alle Akten veröffentlicht werden.

Beinert wertet es als Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet Benedikt, als "Garant der Tradition" das Papstamt nachhaltig verändert haben könnte. Es sei entmystifiziert, entzaubert und menschlicher geworden. Dass der Papst müde und überfordert sein dürfe, erscheine nun als hilfreich für die Kirche.

Das geistliche Testament von Papst Benedikt XVI.

Am Tag seines Todes, dem Silvestertag 2022, hat der Vatikan das Geistliche Testament von Papst Benedikt XVI. veröffentlicht, das er bereits am 29. August 2006 verfasste. Die Katholische Nachrichten-Agentur dokumentiert den Text in der Originalfassung (in alter Rechtschreibung):

Papst Benedikt XVI. am 9. September 2006 in München. / © Markus Nowak (KNA)