Theologe forscht über Darstellung von Kirche in Brettspielen

Sympathische Mönche und alte Klöster

Immer mehr Brettspiele setzen sich mit Kirchengeschichte auseinander, beobachtet Theologe Lukas Boch. Besonders Klöster und Mönche kommen dort gut weg. Spiele könnten auch für die Gemeinden neue Impulse bringen, findet der Forscher.

Autor/in:
Carsten Döpp
Theologe Lukas Boch von der Universität Münster auf der Spielemesse in Essen / © Fabian Strauch (dpa)
Theologe Lukas Boch von der Universität Münster auf der Spielemesse in Essen / © Fabian Strauch ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie sind Kirchenhistoriker und Experte auf dem Gebiet religiöser Brettspiele. Zwei ihrer Forschungsschwerpunkte sind Kirchen und die Geschichtsbilder des Mittelalters in Brettspielen. Darüber schreiben Sie ihre Doktorarbeit, mit der Sie bald fertig sind. Geben denn Brettspiele so viel her?

Lukas Boch (Theologe an der Uni Münster): Ja, Brettspiele sind da genau wie jedes andere Medium. Seien es Filme, Serien oder Computerspiele, Bücher oder auch Produkte der Alltagskultur. In diesen Medien spiegeln sich die Vorstellungen von Wirklichkeit wider. Gerade für die Kirche ist es in einer immer säkularisierten Gesellschaft extrem interessant wie Vorstellungen von Kirche in einem Medium wie Brettspielen verhandelt wird. Sind das positive Bilder? Sind es negative Bilder? Wird es überhaupt verhandelt?

Im Spiel Carcassonne geht es auch um Klöster / © Martin of Sweden (shutterstock)
Im Spiel Carcassonne geht es auch um Klöster / © Martin of Sweden ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Ich kann mir als Laie vorstellen, dass das Mittelalter auf Brettspielen eher romantisiert wird, zum Beispiel mit bierbrauenden Mönchen. Dafür werden dann Themen wie die Kreuzzüge oder die Pest ausgespart.

Boch: Das ist richtig, aber auch sehr spannend, weil es ungewöhnlich ist. Wenn wir uns die heutige Populärkultur angucken, verbindet man mit dem Mittelalter häufig eher Schmutz und Dreck. So, wie wir es von Monty Python kennen mit Gewalt, Kirche, Inquisition, Kreuzzüge, Hexenverbrennung. Auch wenn letzteres nicht stimmt.

Was wir in Brettspielen immer finden, ist der Mönch. Der ist er eher wohlbeleibt nett, trinkt Bier und ist uns ganz sympathisch. Auch Klöster und Kirchen bringen eher Vorteile. Für mich als Kirchenhistoriker, der nach dem Bild der Kirchengeschichte in der Gegenwart fragt, ist das super spannend. Wir finden auf einmal ein Medium, das durch seine Konstituierung dazu geneigt ist, Kirchengeschichte und Mittelalter positiv darzustellen.

Lukas Boch

"Wir finden auf einmal ein Medium, das durch seine Konstituierung dazu geneigt ist, Kirchengeschichte und Mittelalter eher positiv darzustellen."

DOMRADIO.DE: Wenn wir nach Spielen mit Religionsbezug im Internet suchen, bekommen wir direkt Bibelquizze angezeigt. Das ist nicht so ihres, oder?

Boch: Man muss unterscheiden. Es gibt schon sehr lange sogenannte "Serious Games", die versuchen Bildungsinhalte spielerisch zu vermitteln. Das pervertiert meiner Meinung nach ein bisschen den Anspruch von Spielen, die vor allem Spaß machen sollen. Sie kennen das vielleicht. Wenn man mit Kindern aufräumen spielt, merken die ganz schnell, das ist eigentlich gar kein Spiel. 

Deswegen interessieren mich vor allem Spiele, die für den Massenmarkt geschaffen sind, aber sich gleichzeitig auf die Fahne geschrieben haben, ein immersives Erlebnis zu gestalten. Es gibt tatsächlich immer mehr Brettspiele, die für einen Massenmarkt gestaltet sind und die sich mit biblischen Geschichten, mit Kirchengeschichte auseinandersetzen und das auf eine Art und Weise machen, die auch für säkularere Mensch äußerst interessant ist. 

Lukas Boch

"Es gibt immer mehr Brettspiele, die für einen Massenmarkt gestaltet sind und die sich mit Kirchengeschichte auseinandersetzen."

DOMRADIO.DE: Was sind das für Spiele? 

Boch: Das Spiel "Ezra und Nehemia" kommt neu raus. Ein Eurogame, also etwas für Denker, die die Geschichte der Bibel, vor allem des Alten Testamentes stark behandelt. Generell muss man sagen, wenn Religion in Brettspielen vorkommt, ist es häufig historisch angelehnt. Zum Beispiel kommt das Spiel "Campus Galli" neu raus.

Ausstellung zum Klosterplan von St. Gallen / © Gian Ehrenzeller / KEYSTONE (dpa)
Ausstellung zum Klosterplan von St. Gallen / © Gian Ehrenzeller / KEYSTONE ( dpa )

Ein spannendes Spiel aus dem Verlag Huch!, das sich am St. Galler Klosterplan orientiert. Das ist ein ganz bekannter Plan, der ein Idealkloster darstellt. Das wird mit Experten und Wissenschaftlern zusammen aufgebaut. Ein anderes Beispiel noch. Das Spiel "Believe in Me" finde ich sehr spaßig. Wir müssen uns einen Gott erstellen, eine Followerschaft generieren und können auf Reliquien und Propheten zugreifen. Dieses Spiel greift ganz viele religiöse Themen auf, aber eher in einem sarkastischen Unterton.

DOMRADIO.DE: Die Kirche wird für viele Menschen unattraktiver. Es sind viele Mitglieder aus den Kirchen ausgetreten. Leitende Pfarrer, Diakone, Pastoralreferenten kommen in modernen Spielen vermutlich nicht so häufig vor?

Boch: Das ist genau der Punkt. Wenn wir uns Spiele, die in der Gegenwart spielen anschauen, die als Setting nicht Fantasy behandeln, dann kommt dort dieser religiöse Aspekt eher selten vor. Man sollte mal darüber nachdenken, ob nicht Brettspiele eine tolle Chance für Gemeinden sind. Etwa um wieder mit Menschen in Gespräche zu kommen. Das machen tatsächlich viele Kirchengemeinden immer mehr. Denn das Tolle an Brettspielen ist, dass man sich gemeinsam als Gemeinde an einem Tisch versammelt und ins Gespräch kommt. Da muss noch nicht mal das Thema zentral sein. Das man mit Leuten wieder ins Gespräch kommt, passiert in der heutigen Gesellschaft immer weniger. Das merken wir auch in der Politik. Man sollte wirklich wieder mehr miteinander reden. Da können Brettspiele eine tolle Möglichkeit sein, um das anzustoßen.

Lukas Boch

"Das Tolle an Brettspielen ist, dass man sich gemeinsam als Gemeinde an einem Tisch versammelt und ins Gespräch kommt."

DOMRADIO.DE: Was ist Ihr Lieblingsspiel mit Religionsbezug?

Boch: Das ist schwierig. Ich bin immer noch ein riesengroßer Fan von "Orléans". Das ist ein Brettspiel aus dem Jahre 2014, auch mit Mittelalter-Thema. Da haben neben Rittern nämlich Mönche eine tolle Rolle. Die können nämlich Bier brauen und können uns vor bösen Dingen wie der Pest bewahren. Das Spiel hat mich zu meiner Dissertation bewegt.

Das Interview führte Carsten Döpp.

Quelle:
DR