Das Vatikan-Papier zur Segnung für homosexuelle Paare hat aus Sicht des Theologen Michael Seewald das Potenzial für einen "historischen Wandel" in der Kirche.
Die vatikanische Glaubensbehörde habe damit den eigenen Grundsatz aufgehoben, dass der Kirche aus dem Lehramt schlicht die Vollmacht zur Segnung homosexueller und wiederverheirateter Paare fehle, so der Münsteraner Theologe in einem Gastbeitrag für den "Kölner Stadtanzeiger" am Donnerstag.
Seewald wies darauf hin, dass bislang mit der gleichen Argumentation der Ausschluss von Frauen vom Priesteramt begründet werde. Zwar behandle die Erklärung die Frage nach Weiheämtern nicht, zeige jedoch, dass sich die Sicht auf die eigenen Vollmachten wandle.
"Dass dies nun so offen von römischer Seite zugegeben wird, könnte ein Indiz für behutsam vorbereitete Veränderungen sein, drängende Fragen des kirchlichen Lebens betreffend, in denen Entwicklung bislang ausgeschlossen schien."
Die Weiterentwicklung der Lehre
Gleichzeitig betonte Seewald den "prozesshaften Charakter" der Grundsatzerklärung. Diesen habe der Leiter der vatikanischen Glaubensbehörde, Kardinal Victor Fernandez, im Vorwort zur Erklärung deutlich hervorgehoben. "Es gibt keinen Grund, dieses Dokument als den Endpunkt der Entwicklung zu sehen, aus der es hervorgegangen ist", so Seewald.
"Theologen und Seelsorger, aber auch engagierte Katholiken und eine kritische Öffentlichkeit sollten daher nicht nachlassen in ihrem Drängen, dass sich auch die 'Weiterentwicklung' der Lehre, von der die Erklärung spricht, selbst noch einmal weiterentwickelt."