Der tschechische Theologe Tomas Halik sieht die Welt an einer Epochenwende. Eine neue geopolitische Karte der Welt nehme Gestalt an, und es entstehe derzeit ein "neues moralisches Klima in den internationalen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen", schreibt Halik in einem Essay für die Zeitschrift "Stimmen der Zeit" (August).
Weltpolitische Schocks wie der 11. September 2001, die globaler Finanzkrise 2008, Brexit und die US-Präsidentschaft Donald Trumps sowie die globale Krise durch die Coronavirus-Pandemie hätten die Welt erschüttert. Die russische Aggression in der Ukraine führe nun zur "zynischen Zerstörung des seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs aufgebauten Systems des internationalen Rechts", argumentiert Halik.
Religionen können helfen
All diese Herausforderungen und vor allem die Folgen des Klimawandels und der globalen Umweltzerstörung könnten aber nur mit Hilfe der Religionen bewältigt werden, so die Überzeugung Haliks. Niemand dürfe sich allein auf die wirtschaftliche Seite der Globalisierung verlassen. "Die Heilung der Welt setzt eine inspirierende geistige Kraft voraus", so der Theologe.
Dabei sei unklar, ob die christlichen Kirchen diese Kraft aktuell aufbringen könnten, weil sie noch mit der "Pandemie des sexuellen Missbrauchs" und den jüngsten Wellen der Entkirchlichung beschäftigt seien, schreibt Halik. Dennoch brauche es dringend einen "kontemplativen Zugang zu unserer Welt". Er verweist auf das von Papst Franziskus geprägte Bild von der Kirche als "Feldlazarett".