Die Schiiten seien die zweitgrößte Gruppe von Muslimen weltweit und lebten im Irak, im Libanon, in Teilen Syriens, im Iran und in Südasien. "Gerade wegen der politischen Instabilität in diesen Ländern wäre ein solches Dokument sehr hilfreich", sagte der Islamwissenschaftler und katholische Theologe am Samstag im Interview dem Portal katholisch.de in Bonn. Ein solches Papier sei revolutionär.
Erste Überlegungen dazu seien schon vom Oberhaupt der chaldäisch-katholischen Christen im Irak, Patriarch Louis Raphael I. Sako, angeregt worden. Franziskus und die wichtigsten schiitischen Religionsführer könnten den Text auf einer Irak-Reise des Papstes unterzeichnen, schlug Halft vor. Eine solche Visite war zuletzt mehrfach im Gespräch. Der Plan wurde aber wegen der instabilen politischen Verhältnisse bislang nicht weiter konkretisiert.
Bedeutendster Text seit "Nostra aetate"
Halft würdigte die "Gemeinsame Erklärung zur Geschwisterlichkeit aller Menschen", die Papst Franziskus und sunnitische Großimam der Kairoer Al-Azhar-Moschee Ahmad Al-Tayyeb im vergangenen Jahr unterschrieben hatten, als bedeutendsten Text im Religionsdialog seit der Konzilserklärung "Nostra aetate" von 1965.
"Der Text verhandelt primär gar keine theologischen Fragen, sondern will gerade für junge Menschen ein Leitfaden sein, um eine Kultur des gegenseitigen Respekts zu entwickeln", so der Theologe. Die Religionen suchten die Zusammenarbeit, um ihrer Verantwortung für den Frieden gerecht zu werden. "Die Botschaft ist: Die Religionen wollen Teil der Lösung gesellschaftlicher Probleme sein und nicht Teil des Problems", sagte Halft.
So etwas gab es noch nie
Die Religionen seien mit dem Dokument dazu aufgerufen, Herausforderungen wie den Kampf gegen Extremismus, Armut, soziale Ungerechtigkeit und Klimawandel zusammen mit allen nichtreligiösen Menschen anzugehen. "Eine ähnliche Erklärung des Papstes und der höchsten Lehrautorität im sunnitischen Islam hat es noch nie gegeben. Das halte ich für revolutionär", so der Islamwissenschaftler.
Halft lehrt in Trier an der Theologischen Fakultät, die zum Sommersemester einen neuen Lehrstuhl für Abrahamitische Religionen mit Schwerpunkt Islam und interreligiöser Dialog eingerichtet hat. Im kommenden Jahr soll auch ein neuer Masterstudiengang zu interreligiösen Studien starten.