Theologin blickt auf Verhältnis von Grünen und Kirche

"Nachhaltigkeit gehört auch zum Christsein"

Viele Jahre hat der ehemalige grüne Außenminister und Vizekanzler Joschka Fischer die Politik geprägt. Nun ist er 75 Jahre alt geworden. Grund genug, mit Theologin Maria Schubert das Verhältnis zwischen Kirche und Grünen einzuordnen.

Joschka Fischer, ehemaliger Bundesaußenminister und Grünen-Politiker / © Markus Nowak (KNA)
Joschka Fischer, ehemaliger Bundesaußenminister und Grünen-Politiker / © Markus Nowak ( KNA )

DOMRADIO.DE: Im Jahr 1986 erklärte der damalige Kölner Kardinal Joseph Höffner, dass die Grünen für Katholikinnen und Katholiken nicht wählbar seien. Was hat den Kardinal damals so gestört und bei welchen Themen waren die Positionen unvereinbar?

Dr. Maria Schubert (Theologin an der Universität Bochum): Höffner hat sich vor allem an dem Familienbild der Grünen und an der Position zum Lebensschutz, also zur Abtreibung, gestört. Die Grünen hatten diesbezüglich eine ziemlich liberale Auffassung. Sie wollten den Paragraphen am liebsten dahingehend abschaffen, dass Abtreibung für Frauen straffrei möglich ist. Das jedoch widersprach völlig der Auffassung von Höffner und der katholischen Kirche, die den unbedingten Lebensschutz des ungeborenen Lebens vertraten.

DOMRADIO.DE: Wie haben die Katholikinnen und Katholiken das damals gesehen?

Schubert: Die große Mehrheit der katholischen Christen war in Sachen Abtreibung und Lebensschutz damals schon auf der Linie der katholischen Kirche. Es ist vielen dann doch bitter aufgestoßen, dass Höffner es den Gläubigen vorschreiben wollte, welche Partei sie zu wählen hatten oder nicht. Das haben viele Gläubige als übergriffig empfunden, zumal viele auch damals schon mit den Positionen der Grünen sympathisierten, aber eher in Richtung Umweltengagement und die Friedensfrage. Das war sowieso sehr prominent in den 80er Jahren durch den NATO Doppelbeschluss und die Friedensbewegung.

Dr. Maria Schubert (Theologin an der Universität Bochum)

"Die Themen Krieg und Frieden sind auch große Diskussionspunkte für Christen gewesen."

DOMRADIO.DE: Joschka Fischer ist katholisch sozialisiert und war Ministrant. Seine Amtszeit als Außenminister fiel mit dem Kosovo- und dem Irakkrieg zusammen. Sie sagen, dass er sich mit seiner Haltung auf ein Bild aus dem Christentum bezog, auf welches denn?

Schubert: Das Bild des "gerechten Krieges", denn die Frage nach Krieg und Frieden ist ein großes Thema für die Grünen gewesen. Sie haben sich ganz stark aus der Friedensbewegung heraus gebildet und in der Anfangszeit den wirklich unbedingten Pazifismus vertreten haben, besonders in den 80er Jahren. Diese Position der Grünen hat sich dann über die Jahrzehnte hin gewandelt.

Der große Bruch war dann während des Kosovokriegs im Jahr 1999 mit der großen Rede von Joschka Fischer auf dem Parteitag, auf dem er für einen Kriegseinsatz geworben hat, um das den Völkermord im Kosovo zu beenden. Das war damals sehr umstritten bei den Grünen und markiert auch einen Bruch in der Parteigeschichte der Grünen.

Diese Thematik zieht sich bis heute durch die Parteigeschichte, wenn wir auch aktuell an die Waffenlieferungen in der Ukraine denken, ist das natürlich auch großer Diskussionspunkt innerhalb der Grünen. Die Themen Krieg und Frieden sind natürlich auch große Diskussionspunkte für Christinnen und Christen gewesen. Ebenso wie für Politikerinnen und Politiker, egal welcher Partei.

DOMRADIO.DE: Wie hat sich denn im Laufe der Zeit das Verhältnis von den Grünen und der katholischen Kirche verändert?

Schubert: In der Anfangszeit der 80er Jahre ging es zumindest zwischen der Amtskirche und den Grünen heiß her. Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken mit Hans Mayer damals hat sich gegen eine Wahl von den Grünen ausgesprochen. Beim Katholikentag in Aachen 1986 durften die Grünen beispielsweise gar nicht als offizielle Sprecher auf den Podien sitzen.

Das hat sich natürlich über die Jahre und Jahrzehnte wesentlich geglättet. In den Neunzigern findet eine Annäherung statt. 1997 gab es dann das erste Spitzentreffen zwischen Spitzenpolitikern der Grünen und Kirchenvertretern. Und heute haben wir in vielen Punkten auch Zusammenarbeit.

Das Umweltthema wird immer wichtiger, auch für Christen. Heute gehören Nachhaltigkeit und Umweltengagement zum Christsein wie das Amen in der Kirche. Genau das ist auch das große Kernthema der Grünen.

Zwischen den Grünen und der Kirche gibt es von lokaler Ebene bis zum nationalen Erbe viele Gründe für Zusammenarbeit und gegenseitigen Respekt, wie zum Beispiel in Punkten Asylpolitik und weltweite Menschenrechte. Über die Jahre fand auch eine gewisse Annäherung statt, wobei man auch bis heute Punkte hat, in denen keine Einigkeit herrscht. In der aktuellen Diskussion war auch das Verhältnis von Staat und Kirche, bei dem die Grünen eher für eine etwas stärkere Trennung plädieren, das sehen die deutschen Kirchen sicherlich anders.

Insgesamt würde ich sagen, dass der Standpunkt ein ganz anderer ist, als in den 80er Jahren. Heute gibt es in vielen Punkten kooperative Zusammenarbeit.

Das Interview führte Martin Mölder.

Klima- und Umweltschutz in der Kirche

Die Deutsche Bischofskonferenz beschäftigt sich seit den 1980er Jahren mit ökologischen Fragen. Papst Franziskus’ Enzyklika Laudato si’ – Über die Sorge für das gemeinsame Haus hat im Jahr 2015 dem christlichen Auftrag zur Schöpfungsverantwortung auf weltkirchlicher Ebene Aufmerksamkeit verschafft. Daran anschließend hat der Papst im Februar 2020 mit dem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Querida Amazonia die Themen der Enzyklika am Beispiel Amazoniens konkretisiert.

Symbolbild Biodiversität, Biene, Artenvielfalt. Natur / © Kateryna Ovcharenko (shutterstock)
Symbolbild Biodiversität, Biene, Artenvielfalt. Natur / © Kateryna Ovcharenko ( shutterstock )
Quelle:
DR