Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): Herr Bischof, in den vergangenen Jahren wurden unweit des Jordangrabens zahlreiche Kirchen gebaut. Was hat es damit auf sich?
Bischof William Shomali (Patriarchalvikar für Jordanien): Jordaniens König Abdullah II. hat den verschiedenen Konfessionen Land geschenkt, um darauf Kirchen zu bauen und aus der Taufstelle Al-Maghtas einen internationalen Pilgerort zu machen. Seit 2002 bietet die Stätte geführte Touren für Besucher. In der Zwischenzeit haben mit Ausnahme der Maroniten und der Melkiten alle ihre Kirchen gebaut.
Die lateinische Kirche ist zu 80 Prozent fertiggestellt. Finanziert wurde sie - wie der zu 90 Prozent abgeschlossene Bau zweier Klöster - durch einen katholischen jordanischen Geschäftsmann, dessen Sohn bei einem Autounfall in der Gegend ums Leben kam. Zur Fertigstellung suchen wir weitere Geldgeber.
KNA: In diesem Jahr jährt sich die katholische Jordanwallfahrt zum 20. Mal. Worum geht es dabei?
Shomali: Am 12. Januar feiern wir das Fest der Taufe des Herrn. Aus praktischen Gründen feiern wir immer am nächstgelegenen Freitag, weil unsere Gläubigen freitags traditionell frei haben und keine Examen stattfinden. Zur Wallfahrt nach Al-Maghtas kommen jährlich mindestens 4.000 Katholiken aus allen Landesteilen. Die Pfadfindergruppen begleiten die Prozession unter anderem mit Musik, mindestens 30 Priester sind dabei. Dem Pontifikalamt steht in der Regel der Patriarch von Jerusalem vor.
KNA: Warum ist das Fest so beliebt?
Shomali: Es herrscht wahre Freudenstimmung an diesem Tag. Die Menschen genießen die für den Winter warmen Temperaturen, die im Schnitt rund neun Grad höher liegen als etwa in Amman, wo die meisten unserer Gläubigen leben. Dazu kommen praktische Gründe: Es gibt - unterstützt durch das jordanische Tourismusministerium - einen kostenlosen Busservice. Während der Besuch der Taufstelle in militärischem Gebiet sonst kostenpflichtig ist, haben die Gläubigen an diesem Tag freien Zugang.
KNA: Wie erleben Sie dieses Fest?
Shomali: Ich bewundere den Glauben des Volkes Gottes, das hier feiert. Der stärkste Moment ist die Erneuerung des Taufversprechens. Die Gläubigen sind frustriert, wenn das Weihwasser sie nicht erreicht - und zwar nicht einzelne Tropfen. Sie wollen Fülle, und wir tun unser Bestes. Mindestens fünf Priester segnen die Menschen, das ist sehr berührend und nimmt viel Zeit in Anspruch.
KNA: Mit fast 150.000 Besuchern jährlich erreicht Al-Maghtas neue Rekorde, gleichzeitig besuchen viermal mehr Menschen die israelische Taufstelle Kasr al-Jahud. Jardenit am See Genezareth zieht als dritte Taufstelle Besucher an. Wie positioniert sich die Kirche zu der Konkurrenz?
Shomali: Theologisch gesehen ist es einfach: Jesus wurde im Jordan getauft, damit ist der ganze Fluss heilig. Zwar ist das Wasser, das Jesus berührt hat, längst verflossen, aber der Flusslauf ist gesegnet. Ob man östlich oder westlich des Flusses feiert, ob im Norden oder im Süden des Flusslaufes, ist theologisch gesehen irrelevant.
Wichtig sind das Gedenken und die Auffrischung in der Feier. Wenn Ort und Zeit dieser Feier zusammenfallen, wie bei unserer Wallfahrt nach Al-Maghtas, ist das ein unglaublicher Reichtum für den Pilger.
KNA: Soweit die Theologie.
Shomali: Biblisch betrachtet spricht viel für das Ostufer. Das Johannesevangelium verortet die Taufe Jesu "in Bethanien, auf der anderen Seite des Jordan" (1,28). Auch die älteste Landkarte der Christenheit - das Fußbodenmosaik von Madaba aus dem 6. Jahrhundert - zeigt die Taufstelle östlich des Jordan, in etwa dort, wo archäologische Funde auf eine frühe christliche Verehrung deuten. Zudem gab es zur Zeit Jesu keine politischen Komplikationen bei der Überquerung des Flusses, da Palästina damals Teile des heutigen Jordaniens umfasste.
KNA: Geht es nach dem israelischen Präsidenten Reuven Rivlin, würde zwischen Al-Maghtas und Kasr al-Jahud eine grenzübergreifende Pilgerstätte entstehen - Utopie oder realistische Zukunftsvision?
Shomali: Das ist ein schöner Traum, und Rivlin als Mann des Friedens hat sicher gute Intentionen. Eine solche Lösung würde aber die jordanische Seite benachteiligen: Die Pilger kämen nicht mehr nach Jordanien, sondern würden den jordanischen Teil von Israel aus besuchen und dann weiterreisen. Jordaniens Regierung hält an ihrer Position fest, dass Jesus hier getauft wurde.
Man denke etwa an die Auseinandersetzungen beim Besuch von Papst Johannes Paul II. - Jordanien machte zur Bedingung, dass er die jordanische Taufstelle besucht, aber auch die Palästinenser haben am Besuch des Westufers festgehalten. Der arme Papst mit seinem Gehstock hat also beide Seiten besucht. Ich wünschte, wir hätten diesen Orient ohne Grenzen, aber aus der Mitte des herrschenden Dramas können wir keine Lösung finden. Rivlins Traum bleibt damit vorerst eine unrealisierbare Utopie.