"Menschen kommen nicht in ein geschichtlich und kulturell leeres Land, sondern in eines, das durch Geschichte und Kultur stark geprägt ist", sagte er in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Montag in Berlin.
Dazu gehöre auch die Erinnerung an den Holocaust und die daraus resultierende moralisch-politische Verpflichtung in der Gegenwart. Die Politik müsse dafür den Rahmen setzen, so Thierse weiter.
Thierse ruft gesellschaftliche Institutionen zum Handeln auf
Gefordert seien zudem Schulen, Kultureinrichtungen, aber auch die Medien. Thierse hatte in seiner Zeit als Bundestagspräsident das Holocaust-Mahnmal in Berlin eröffnet.
Der SPD-Politiker wird am 22. Oktober 80 Jahre alt. Es brauche in der Migrationspolitik klare Regelungen und auch Integrationsanstrengungen der Migranten.
Mangelnde Integration hilft laut Thierse Rechtsextremen
Wenn das nicht passiere, gelinge das Zusammenleben nicht und Ängste und Ablehnung bei der einheimischen Bevölkerung würden größer. Das stärke nicht zuletzt rechtsextreme Kräfte.
Darüber hinaus äußerte sich Thierse zur Rolle der Kirche in der Politik: "Wenn die öffentliche Überzeugungsfähigkeit der Kirchen abnimmt, nimmt natürlich auch ihre Resonanz in den politischen Parteien ab":
Die Ampelregierung sei da ein Abbild der Pluralisierung der Gesellschaft. Der Katholik war selbst viele Jahre im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) tätig. Er wird am 22. Oktober 80 Jahre alt.
Thierse bedauert mangelndes Hören auf Stimmen der Bischöfe
Zugleich betonte er, er bedauere es, dass die Stimmen der Bischöfe zu gesellschaftlichen Problemen viel weniger wahrgenommen würden. Die Kirchen könnten auch für aktuelle Debatten wichtige Beiträge liefern.
"Und wenn sie nicht direkt aus der Politik angefragt werden, können sie sich ja trotzdem äußern", so Thierse. Er sehe es aber gelassen, dass inzwischen weniger als die Hälfte der Deutschen einer der beiden Kirchen angehören, fügte er hinzu.
Säkularisierungstheorie in Deutschland "zumindest ergänzungsbedürftig"
Man könne das auch anders sehen, nämlich dass knapp die Hälfte der Deutschen katholisch oder evangelisch sei.
Zudem gebe es noch die Menschen, die in einer anderen Religion beheimatet seien. Die Behauptung, dass Deutschland ein säkulares Land geworden sei, sei zumindest ergänzungsbedürftig.