Für das Bistum Limburg und weit darüber hinaus ist es ein Schock: Der Leiter des Priesterseminars im Bistum, Christof May, ist am Donnerstag tot aufgefunden worden. Das teilte das Bistum am Freitag mit. "Der Tod von Christof May trifft uns alle. Wir haben einen engagierten und sehr geschätzten Seelsorger verloren", heißt es in einer internen Mail an die Mitarbeiter der Diözese vom Donnerstagnachmittag.
May wurde nur 49 Jahre alt. Wie das Bistum mitteilte, wurde er am Mittwoch in einem persönlichen Gespräch "zu Vorwürfen übergriffigen Verhaltens" angehört, "so wie es die entsprechenden kirchlichen Ordnungen vorsehen". Im Anschluss daran habe der Limburger Bischof Georg Bätzing den seit September 2018 amtierenden Regens von allen Ämtern freigestellt, "um die Vorwürfe prüfen und aufklären zu können".
Beschuldigungen gegen May bekannt geworden
Die Sache ist brisant - schließlich ist Bätzing zugleich Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Er stand zuletzt unter öffentlichem Druck, weil er einen Priester trotz Belästigungsvorwürfen zum Bezirksdekan befördert hatte. Der Bezirksdekan trat schließlich unter dem Eindruck der Debatte zurück.
Im Fall May betont das Bistum ausdrücklich, man sei "in Gedanken auch bei denen, die die Vorwürfe gemeldet haben". Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Online) berichtete, in den Wochen zuvor seien den zuständigen Ansprechpersonen im Bistum Beschuldigungen gegen May bekannt geworden. Diese seien "leitlinienkonform im Gespräch mit den mutmaßlich betroffenen Personen protokolliert und nach einer ersten Bewertung auf ihre Plausibilität dem Bischof zugänglich gemacht" worden.
Die Freistellung von allen Ämtern dürfte den weithin beliebten May besonders getroffen haben, denn somit wären die Vorwürfe auf jeden Fall bekannt geworden. Und so brach für den Seelsorger, der gerade in reformorientierten Kreisen als mutiger Fürsprecher für eine Veränderung der katholischen Kirche wahrgenommen wurde, offenbar eine Welt zusammen.
Mitglied des Limburger Domkapitels
May gehörte dem Limburger Domkapitel an, war Bischofsvikar für Kirchenentwicklung - und damit ein enger Mitarbeiter Bätzings. "Der Tod des Priesters ist für alle im Bistum, besonders auch für den Bischof, die Personalverantwortlichen und die Bistumsleitung sehr bedrückend und hinterlässt offene Fragen", betonte das Bistum in seiner Stellungnahme.
Überregionale Aufmerksamkeit hatte May durch eine Predigt am 4. Oktober 2020 erregt, die im Internet viral ging. Darin forderte er vehement eine Öffnung der katholischen Kirche, insbesondere mit Blick auf wiederverheiratete Geschiedene und homosexuelle Paare. May kritisierte in der Predigt auch, dass Frauen keinen Zugang zu Weiheämtern in der katholischen Kirche hätten. Das Predigt-Video zum Erntedank-Fest aus der Kapelle des Priesterseminars erzielte damals im Netz innerhalb weniger Tage rund 150.000 Aufrufe.
Er wolle wiederverheiratete Geschiedene und gleichgeschlechtliche Paare "nicht im Wohnzimmer segnen", sagte May in jener Ansprache.
"Ich möchte sie in der Mitte sehen." Nun wurde er mit einer öffentlich unbekannten Seite konfrontiert: den Vorwürfen übergriffigen Verhaltens - und zwar gegenüber mehreren Personen. Was dann genau geschah und warum May vermutlich Suizid beging, ist nicht bekannt. Die Polizei soll ihn schließlich mit Freiwilligen gesucht haben.
Der aus dem Westerwald stammende Priester hatte Philosophie und Theologie an der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt und an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom studiert. Dort promovierte er 2004. Danach wurde er Kaplan in Königstein und Kronberg. Bevor er 2018 Regens wurde, war May Bezirksdekan in den Regionen Wetzlar und Lahn-Dill-Eder. Die Diözese erklärte in ihrer Stellungnahme zum Tod Mays: "Die Geschehnisse erschüttern uns im Bistum Limburg und weit darüber hinaus. Der Tod trifft uns sehr, ruft Bestürzung und Fassungslosigkeit hervor und hinterlässt viele Fragen."