DOMRADIO.DE: Wie ist denn die Stimmung unter den Priestern im Erzbistum Köln?
Pfarrer Jochen Thull (Leitender Pfarrer in Brühl und Sekretär des Priesterrates im Erzbistum Köln): Die ist sehr angespannt. Denn jeder bekommt die Pressemitteilungen und auch die Verlautbarungen des Bistums mit. Auch sieht sieht täglich die vielen grauen Umschläge der Amtsgerichte mit Kirchenaustritten. Von daher stehen viele noch in der Warteschleife bis zum 18. März. Andere sind natürlich auch ungeduldig und wollen einfach nur Aufklärung und ein "nach vorne kommen".
DOMRADIO.DE: Sie haben gemeinsam mit 34 anderen Priestern aus dem Erzbistum einen Brief an Kardinal Woelki geschickt, in dem sie genau das kritisieren, dass das Erzbistum allzu tatenlos zuschaut, wenn jetzt so viele Menschen aus der Kirche austreten. Haben Sie auf den Brief eine Reaktion bekommen?
Thull: Als erstes hat sich relativ schnell, zwei Tage später, der Kardinal selbst gemeldet und dann wurde für vergangenen Dienstag ein Gespräch ausgemacht. Coronabedingt konnte dann natürlich nur eine kleine Abordnung von sieben Vertretern hingehen, aber das Gespräch hat stattgefunden.
DOMRADIO.DE: Sie waren selbst nicht bei dem Gespräch dabei. Wird man den etwas über die Gesprächsinhalte hören?
Thull: Das können Sie am besten bei denen erfragen, die mit dabei waren. Denn ich habe bisher auch nur die Info, dass es stattgefunden hat. Aber um zu besprechen, wie es im Einzelnen gewesen ist, treffen wir uns zeitnah per Videokonferenz.
DOMRADIO.DE: Die Krise im Erzbistum Köln hat auch bundesweite Auswirkungen. Als Sekretär des Priesterrats stehen Sie auch in Kontakt mit Priestern aus ganz Deutschland. Wie blicken die denn auf Köln?
Thull: Die blicken mit Sorge auf Köln. Das entnehme ich den vielen Kommentaren und Fragen, die jetzt mit den Anmeldungen zu unserem Treffen am 10. März bei mir eingehen. Man schaut gespannt: Was entwickelt sich da? Was tut sich? Man sieht das mit überwiegend mit kritischer Sorge und teils mit Befremden .
DOMRADIO.DE: Auch darüber wird sicher in dem Zusammenhang mit Kirchenaustritten gesprochen werden auf dem Domplenum am Samstag. Sie werden da auch sprechen - als Pfarrer aus Brühl oder als Vertreter des Priesterrates?
Thull: Als Pfarrer aus Brühl. Dass ich Sekretär des Priesterrates bin, ist das eine. Aber ich habe den Brief mit unterschrieben und bin am Samstag bei dem Domplenum als ganz normaler Pfarrer einer großen Gemeinde im Erzbistum Köln dabei.
DOMRADIO.DE: In welcher Rolle sehen Sie sich denn als Priester? Sind Sie auch dem Erzbischof gegenüber verpflichtet?
Thull: Das ist meiner Meinung nach eine beidseitige Verpflichtung. Auf der einen Seite bin ich gerne Pfarrer in Köln und unterstütze auch das Bistum. Aber dazu gehört auch, Wahrnehmungen und kritische Anfragen weiterzuleiten, weil wir ja vor Ort sehen, wo es stockt und was die Leute bewegt.
DOMRADIO.DE: Es wird auch kritische Stimmen mit Maria 2.0 und dem Katholischen Deutschen Frauenbund bei der Veranstaltung am Samstag geben. Ist es auch eine bewusste Entscheidung, da hinzugehen und zu reden, obwohl das nicht einfach werden wird.
Thull: Jeder ist frei in seiner Meinungsäußerung. Und bei Maria 2.0 oder dem Katholischen Deutschen Frauenbund geht es ja nicht um den Missbrauch, sondern da geht es ja auch um vielschichtige Themen, die beim Synodalen Weg zum Tragen kommen. Über die Themen kann man nur offen sprechen und theologische Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte benennen, einbringen und berücksichtigen.
DOMRADIO.DE: In dem digitalen Domplenum geht es dann in erster Linie um Kirchenaustritte. Was sagen Sie denn den Menschen, die Ihnen sagen: Ich kann das Verhalten der Kirche so in dieser Form, wie es gerade passiert, nicht mehr mittragen und trete aus. Wie versuchen Sie, dagegenzuhalten?
Thull: Es gibt einige, die mailen oder rufen an und sagen, sie erwägen einen Austritt und suchen nach Gründen oder nach schlagenden Argumenten, dass sie doch bleiben. Auf der anderen Seite, mit Blick auf das ganze kommunikative Dilemma und dem, was aus Pressemitteilungen und Verlautbarungen rüberkommt, stehe ich oft auch davor und kann nur sagen: Eine Antwort auf diese Entwicklung kann ich Ihnen auch nicht geben und was Sie sagen ist verständlich. Aber trotzdem gilt es zu schauen, was einem denn an der Kirche liegt? Das eine ist das Gemeindeleben, das andere ist die persönliche Gottesbeziehung. Und da kann man nur sagen, dass die Menschen nochmal genau schauen müssen, um was es ihnen geht.
Das Interview führte Johannes Schröer.