Eigentlich wirkt er gar nicht spektakulär, wichtig oder repräsentativ. Der Bischof-Stein-Platz in Trier liegt zwar am Dom, von den Touristen werden ihn aber nur wenige zu Gesicht bekommen. Es geht nämlich um den Platz hinter der Kathedrale. Der Name hat auch nicht wirklich Tradition. Erst 2010 entschied sich die Stadt, den Platz nach dem ehemaligen Trierer Oberhirten Bernhard Stein (1967 bis 1980) zu benennen.
Kritik daran gibt es allerdings schon seit Jahren. Die Betroffeneninitiative "MissBiT e.V." merkte schon 2019 an, dass eine solche Ehrung für den ehemaligen Bischof nicht angebracht sei, da ihm Vertuschung von Missbrauchsfällen vorgeworfen wird. "Der Stadt Trier ist es nicht zuzumuten, einen Platz nach einem Vertuscherbischof zu benennen, der über Jahre Missbrauchstäter ins Ausland verschoben hat," erklärt MissBiT-Vorstand Hermann Schell gegenüber DOMRADIO.DE.
Entscheidung bereits im Frühjahr
Zunächst gab es Widerstand im Stadtrat gegen eine Umbenennung. Als aber eine wissenschaftliche Studie Bischof Stein systematische Vertuschung vorwarf, wurden auch die zweifelnden Stimmen überzeugt.
Von Anfang an für eine Umbenennung war der Trierer Grünen-Abgeordnete Johannes Wiegel. Über den Beschluss zur Änderung des Namens Anfang 2023 war er sehr erfreut, nun müsse es allerdings auch konsequent weiter gehen, so Wiegel im Interview. "Damals haben alle demokratischen Fraktionen den Opfern gegenüber Bedauern geäußert, dass es so lange brauchte und angekündigt, künftig besser auf die Forderungen von Betroffenen zu hören. Daher wäre es aus unserer Sicht ein fatales Zeichen, den klaren Wunsch der Opfer (erneut) zu ignorieren."
Warum ignorieren? Obwohl am Mittwochabend ein neuer Name beschlossen werden soll, könnte auch der gegen die Wünsche der Opferinitiative gewählt werden.
"Platz der Menschenwürde"
Von der Betroffeneninitiative kam die Idee, einen "Platz der Menschenwürde" zu schaffen. Das sei besonders angebracht, da hier auch ein Mahnmal für die Sinti und Roma-Opfer des Nationalsozialismus zu finden ist. "Diesen Namen fänden wir angemessen" so Betroffenenvertreter Schell. "Auch wegen der Nähe zum Sinti und Roma-Mahnmal."
Dieses Mahnmal, entworfen vom Künstler Clas Steinmann, wurde 2012 in Erinnerung an die Deportation der Sinti und Roma aus Trier errichtet. Es ginge also mit dem neuen Namen nicht nur darum, der Missbrauchsopfer zu gedenken.
MissBiT wünscht sich allerdings noch mehr, auch ein Mahnmal für die Opfer der katholischen Kirche und die Geschehnisse rund um Bischof Stein. Schell: "Es wäre auch angebracht, eine Erinnerungstafel an dieser Stelle anzubringen, die darauf hinweist, warum der Platz umbenannt wurde. Man muss das unsichtbare sichtbar machen."
Oder doch "Windstraße"?
Der Alternativvorschlag, der den Betroffenen nicht gefällt: Der Platz könnte auch wieder "Windstraße" bzw. "Hinter dem Dom" heißen, wie schon in der Zeit vor der Umbenennung 2010. Dafür setzt sich eine Gruppe des für die Trierer Innenstadt zuständigen Ortsbeirates ein. Der ist eigentlich für die Umbenennung von Straßen und Plätzen in seinem Einzugsbereich zuständig.
Es sei denn der Stadtrat entscheidet, dass eine solche Entscheidung Konsequenzen für die ganze Stadt haben könnte. Genau das ist mit dem Bischof-Stein-Platz geschehen. Obwohl die Entscheidung zur Abschaffung des Namens im Frühjahr im Trierer Stadtrat mit großer Mehrheit gefallen ist, bekam die Idee der Umbenennung vorab nur eine knappe Mehrheit im Ortsbeirat. Nun bringt der Ortsbeirat die Idee der "Windstraße" am Mittwoch ebenfalls in die Stadtratssitzung ein.
"Das wäre ein Verstecken"
Bei den Missbrauchsbetroffenen kommt dieser Vorschlag allerdings nicht gut an. MissBiT-Vorstand Schell: "Das wäre ein Verstecken. Das würde sicher auch Bischof Ackermann und dem Bistum zu Gute kommen. In zehn Jahren wäre dann komplett vergessen, was hier mal passiert ist. Auch die heutigen Verantwortlichen im Bistum sollen an die Geschichte dieses Platzes und des Bistums erinnert werden. Das zu ignorieren, wäre eine neue Form von Vertuschung. Da sollte sich der Stadtrat nicht dran beteiligen. Alles andere ist keine Option."
Der Grünen-Abgeordnete Wiegel sieht das ähnlich: "Aus unserer Sicht ist die Sorge der Opfer sehr nachvollziehbar. Wer würde sich im Rückblick noch daran erinnern, dass der Platz zwischen 2010 und 2023 einmal anders hieß?"
Politische Zwickmühle für Trier
Eine Zwickmühle, gesteht der Grünen-Abgeordnete: "Es fällt ungeheuer schwer, aber einer dieser Gruppen, den Betroffenen oder dem Ortsbeirat, wird man bei der Entscheidung weh tun müssen. Bei dieser schweren Abwägung kommen wir zu dem Ergebnis, dass uns das Wohlbefinden der Opfer in diesem Fall wichtiger ist."
Eine Entscheidung fällt bei der Trierer Stadtratssitzung am Mittwochabend. Erst wird über den Vorschlag des Ortsbeirates ("Windstraße") und dann über den Antrag "Platz der Menschenwürde" beraten.
Sollte keiner von beiden eine entsprechende Mehrheit bekommen, könnte sich die Diskussion noch weitere Monate hinauszögern. In dieser Zeit würde der Platz weiter den Namen von Bischof Stein tragen. Das will eigentlich niemand. Beobachter erwarten eine knappe Entscheidung, bei der es am Ende sogar auf die Zahl der Enthaltungen ankommen könnte.