Überraschungen für den Vatikan im neuen Weltsynode-Papier

Kein deutscher Sonderweg?

Ein neues Arbeitsdokument zur Weltsynode hat die Anliegen der Bistümer auf der ganzen Welt zusammengefasst. Dabei zeigt sich eine große Relevanz der Themen des Synodalen Wegs. Anne Preckel gibt einen Einblick aus dem Vatikan.

Piero Coda (l.), Generalsekretär der Internationalen Theologischen Kommission; Jesuitenpater Giacomo Costa (2.v.l.), Berater im Synodensekretariat der Bischofssynode; Anna Rowlands (2.v.r.), Professorin für Katholischen Sozialen Glauben an der Universität Durham (Großbritannien); und Kardinal Mario Grech (r.), Generalsekretär der Bischofssynode, während der Pressekonferenz zur Vorstellung des ersten Arbeitsdokuments der Weltsynode / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Piero Coda (l.), Generalsekretär der Internationalen Theologischen Kommission; Jesuitenpater Giacomo Costa (2.v.l.), Berater im Synodensekretariat der Bischofssynode; Anna Rowlands (2.v.r.), Professorin für Katholischen Sozialen Glauben an der Universität Durham (Großbritannien); und Kardinal Mario Grech (r.), Generalsekretär der Bischofssynode, während der Pressekonferenz zur Vorstellung des ersten Arbeitsdokuments der Weltsynode / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Dem Synodalen Weg in Deutschland wurde ja oft vorgeworfen, um rein innerdeutsche Themen zu kreisen. Jetzt hat sich gezeigt, dass viele der Themen auch auf der ganzen Welt unter den Nägeln brennen. Ist dieser Vorwurf also damit vom Tisch?

Anne Preckel (Vatican News): Das müssten wir jetzt die Kritiker fragen, und das wird sich wohl auch demnächst noch zeigen. Jedenfalls lohnt es sich, mal einen Blick in das Synthese-Papier zu werfen. Es ist ja auch gar nicht so lang, wenn man sich überlegt, dass es Wortmeldungen im Zitat aus nahezu allen Ortskirchen der Welt umfasst. Es ist so eine Art Mosaik und ein durchaus lebendiger Text. Es gibt dabei gemeinsame Themen, die die Bistümer und Ortskirchen weltweit bewegen. Da ist zum Beispiel die Rolle und Berufung der Frauen in der Kirche. Das betrifft sowohl nicht geweihte Frauen als auch Ordensfrauen.

Aber auch etwa die Kluft zwischen Klerikern und Laien, also das kirchliche Miteinander, hat sich als verbesserungswürdig herausgestellt. Das berührt natürlich auch eigentlich mindestens drei der Themen-Foren des deutschen Synodalen Weges. Auch dort geht es um Macht und die Beteiligung der Laien, um das Leben und das Selbstverständnis der Priester und um die Frauen. Da gibt es also durchaus Anschlussmöglichkeiten.

DOMRADIO.DE: Weitere Einreichungen – außer von den Bistümern – sind von den orientalischen katholischen Kirchen, Ordensgemeinschaften, der Mehrheit der Vatikanbehörden und rund 1.000 Privatpersonen und Gruppierungen gekommen. Warum konnten die sich nochmal extra äußern?

Preckel: Bei den orientalischen Kirchen, Orden und Vatikan-Behörden hat es sicher organisatorische Gründe gegeben, dass die gesondert einreichen konnten. Ich denke, in vielen Bistümern hat es sich auch vermischt, etwa wenn Ordensleute in Gemeinden mit Laien diskutiert haben. Was aber die Möglichkeit betrifft, dass auch Privatpersonen gesondert Antworten einreichen konnten: Das hat sicherlich den Vorteil, dass Leute, die sich aus bestimmten Gründen keiner Gemeinde verpflichtet fühlen oder die sich vielleicht auch nicht zu erkennen geben wollen oder die sich auch kirchenfern fühlen, dass die dennoch ihren Teil beitragen konnten. So hat man einfach noch einmal eine größere Beteiligung erreicht, denke ich.

Anne Preckel (Vatican News)

"Was auch für eine gewisse Überraschung gesorgt hat im Vatikan, obwohl es vielleicht ja auch zu ahnen war, war der Wunsch aus allen Kontinenten und in allen Berichten, dass Frauen als Getaufte mit gleicher Würde anerkannt würden und stärker beteiligt werden sollten, und zwar auf allen Ebenen."

DOMRADIO.DE: Wie sind die Rückmeldungen aus der ganzen Welt in Rom aufgenommen worden? Gab es dabei auch Überraschungen?

Preckel: Das Redaktionsteam, das die Berichte ausgewertet hat, das waren ja ganz unterschiedliche Experten. Das vatikanische Synoden-Sekretariat war schon angetan davon, dass aus allen möglichen Ländern doch dieser Impuls kam, die Kirche zu erneuern und gemeinsam neu aufzubrechen. Und zwar trotz unterschiedlicher Sensibilitäten, wie das Kardinal Grech formuliert hat. Ich stelle mir darunter vor, dass es vielleicht Ortskirchen gibt, die beispielsweise etwa nicht an der kirchlichen Sexualmoral rütteln wollen, die aber andererseits trotzdem im Miteinander von Männern und Frauen etwas ändern wollen.

Was auch für eine gewisse Überraschung gesorgt hat im Vatikan, obwohl es vielleicht ja auch zu ahnen war, war der Wunsch aus allen Kontinenten und in allen Berichten, dass Frauen als Getaufte mit gleicher Würde anerkannt würden und stärker beteiligt werden sollten, und zwar auf allen Ebenen. Frauen seien doch das Rückgrat der kirchlichen Gemeinschaften, auch zahlenmäßig. Sie würden aber viel zu wenig gehört und geschätzt.

Erhofft wird in vielen Ländern da eine große Umkehr, so wurde das gestern hier auf der Pressekonferenz im Vatikan genannt, eine große Umkehr, um gemeinsam mit der Kirche als Fürsprecher Frauenrechte stark zu machen. Das führt natürlich nicht überall zur Forderung nach einer Priesterweihe für Frauen. Aber überall geht es de facto um eine Verbesserung, um eine Verbesserung der weiblichen Lebens- und Wirkensbedingungen in der Gesellschaft, aber auch in der Kirche.

DOMRADIO.DE: In der Kirche hatten viele Menschen schon oft das Gefühl, dass zwar Reformen gefordert werden, aber sich am Ende doch nichts tut. Wie groß ist der Reformdruck jetzt, wenn wirklich viele Länder das Gleiche fordern?

Preckel: Es liegt jetzt für alle zumindest sichtbarer auf dem Tisch, wo es eigentlich hakt und wo unerträgliche Missstände sind. Der Missbrauchsskandal etwa hat, wie sich auch in dem Dokument gezeigt hat, überall einen ganz großen Leidensdruck und Vertrauensverlust gegenüber der Kirche erzeugt. Gerade dieses Thema ist auch gut zu verzahnen mit dem synodalen Prozess. Denn der synodale Prozess ist eine Aufforderung, wirklich auch dem Leiden zuzuhören und zu sagen, was schlecht läuft im Austausch aller kirchlichen Glieder.

Wenn das einmal ins Bewusstsein aller gehoben ist und in Worte gefasst ist, dann ist, denke ich, der Schritt zum Handeln nicht mehr weit. Da kann man auch keinen Schritt mehr zurückgehen, wenn man das so gemeinsam auch festgehalten hat. Dann ist der Elefant im Raum.

Was die Missbrauchsprävention angeht, ist ja auch schon einiges passiert. Es gibt zum Beispiel afrikanische Ordensfrauen, die online einen Präventionskurs in Rom machen. Und sie wenden das dann direkt an als erste in ihren Gemeinden. Da hatten wir neulich auch bei uns ein Beispiel. Geteilte Sorgen bekommen eine viel größere Kraft. Diese Vernetzung und dieser Austausch werden mit der Weltsynode jetzt gefördert, das ist ganz klar.

Kardinal Mario Grech, Generalsekretär der Bischofssynode, und Papst Franziskus bei der Eröffnung der Weltsynode / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Mario Grech, Generalsekretär der Bischofssynode, und Papst Franziskus bei der Eröffnung der Weltsynode / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie geht es nach der Veröffentlichung des Papiers jetzt in Sachen Weltsynode weiter?

Preckel: Zuhören und Dialog sollen in der kontinentalen Phase des synodalen Prozesses jetzt weitergehen. Das gestern vorgestellte Dokument wird jetzt wieder in die Ortskirchen zurückgespielt. In allen Kirchen wird also noch einmal darüber gesprochen. Es gibt so eine Art Hin und Her, eine zirkuläre Bewegung, so hat es Kardinal Grech gestern beschrieben. Das ist fast schon ein kleines bisschen dialogisch. Die eigenen Themen werden da im weltkirchlichen Rahmen noch mal vorgelegt.

Da wird man dann sehen, wo es Konvergenzen gibt und wo es Spannungen gibt. Man kann sehen, was nur uns bewegt und was doch irgendwie alle bewegt. Am Ende dieser Phase sollen dann die sieben Kontinental-Versammlungen, also in Afrika, in Ozeanien, im Nahen Osten, in Asien, Europa, Lateinamerika und in USA/Kanada bis März 2023 je ein eigenes Dokument erstellen. Diese sieben Texte wiederum fließen dann ein in ein Arbeitsdokument der Weltsynode, das bis Juni nächsten Jahres dann fertig sein soll. Und das wird dann der Welt Bischofssynode in Rom als Grundlage dienen.

Weltsynode 2021-2024

Mit der Weltsynode hat Papst Franziskus in der katholischen Kirche etwas Neues geschaffen. Erstmals werden bei einer Synode Nicht-Bischöfe und Nicht-Priester im großen Umfang ein Stimmrecht haben, darunter auch Frauen.

Inhaltlich soll es vor allem um neue Wege der Mitwirkung der kirchlichen Basis bei wichtigen Entscheidungen in der katholischen Kirche gehen. Obwohl erstmals auch nicht geweihte Männer und Frauen ein Stimmrecht haben, handelt es sich kirchenrechtlich um eine Bischofssynode.

Eröffnung der Weltsynode im Oktober 2021 / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Eröffnung der Weltsynode im Oktober 2021 / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR