DOMRADIO.DE: Sie stehen in engem Kontakt zur ukrainischen Gemeinde hier im Erzbistum. Was erzählt denn Pfarrer Mykola Pavlyk im Moment von seinen Gemeindemitgliedern?
Ingbert Mühe (Referent der Internationalen Katholischen Seelsorge im Erzbistum Köln): Pfarrer Pavlyk rief mich schon am Freitagmorgen an, und zwar ziemlich verzweifelt, und sagte: Bei uns steht seit gestern die Welt nicht mehr still, und wir haben das alle nicht für möglich gehalten. Und deshalb sind wir hier doppelt in ein Unglück gefallen. Manche haben schon gar keinen Kontakt mehr in die Heimat bekommen. Unsere Ukrainer sind überwiegend aus dem westukrainischen Großraum Lemberg, aber es gibt auch welche in der Ostukraine und da war der Kontakt nicht mehr herzustellen. Und er selber sagte mir: Meine beiden Eltern leben in der Ukraine. Ich weiß nicht, ob ich meine Eltern noch mal wiedersehen werde.
Und dann war das Hauptanliegen: Wir wollen unbedingt hier im Dom ein Friedensgebet machen. Wäre das möglich? Ich habe dann gleich den Kontakt zum Dompropst gesucht, der dann sagte: Selbstverständlich können Sie kommen. Dann kam am Samstag eine sehr, sehr große Gruppe aus Düsseldorf und Köln und haben mit ihren Gesängen das Gebet um Frieden mit dem Dompropst gemeinsam gestaltet. Da merkte man einfach die Dankbarkeit der Leute. Er sagte, es ist so gut, dass wir hier im Kölner Dom beten können und auf unser Heimatland aufmerksam machen können. Der Dompropst und ich, wir standen dann da und das war fast beschämend, wie dankbar die Leute waren, dass sie in den Dom durften und um Frieden für ihre Heimat bitten.
DOMRADIO.DE: Wir hatten in Köln die riesige Demonstration am Montag, es gab die Großdemo in Berlin am Sonntag und man fragt sich: Das ist alles ganz toll, aber wie nehmen die Ukrainer das selber auf? Ist das denen genug? Schaffen wir wirklich eine Solidarität mit ihnen?
Mühe: Das hat schon sehr, sehr berührt. Also das Mittagsgebet oder auch die Demonstrationen hier am Rosenmontag in Köln. Das hat sie schon sehr bewegt und zeitgleich zum Rosenmontag bekam ich ein Bild zugeschickt aus Düsseldorf von einer Abgabe von Sachspenden. Der ganze Kirchplatz war voll mit Sachspenden. Der Pfarrer Pavlyk sagte: Bitte sagen Sie allen Leuten, keine Sachspenden mehr. Wir wissen gar nicht mehr, wie wir das sortieren können. Wir haben alle unsere Lager voll. Wir hätten mit dieser großen Solidarität nicht gerechnet. Und das tut gut und stärkt uns in der ganzen Sache.
DOMRADIO.DE: Sie haben mit Ihrem Referat der Internationalen katholischen Seelsorge nicht nur Solidarität gezeigt und mündlich Ausdruck gegeben, sondern Sie haben sofort gehandelt und ein Projekt gestartet. Was für eines?
Mühe: Er rief mich am Freitag dann noch mal an und sagte: Herr Mühe, können Sie Mull und Verbandszeug besorgen? Ich habe noch guten Kontakt zum ehemaligen Domvikar Hopmann, der jetzt in Euskirchen ist und der sagte mir: Ich bin ja auch Vorsitzender des Klinikums und ich werde mal fragen. Und dann gab es einen ganz schnellen Kontakt zu einer Firma, die das Klinikum beliefert. Wir haben von den Ukrainern eine riesenlange Liste bekommen und die hatten alles da. Das ist am Dienstag abgeholt worden und am Mittwoch waren schon zwei Konvois in die Ukraine unterwegs mit den ganzen Sachen und es kamen spontan Spenden rein über die ganzen IKS-Gemeinden, sodass wir das auch alles finanzieren konnten.
Die Ukrainer wollen jetzt zu den Gemeinden, zu denen sie Kontakt haben, eine richtige Brücke aufbauen, weil sie sagen: Wir haben die Kontakte, wir kommen auch noch rein. Ich habe von anderen Spendenorganisationen gehört, dass die nicht mehr in die Ukraine reinkommen. Aber unsere letzte Meldung ist, dass unsere Gruppen reinkommen, weil sie den familiären und den Kontakt zu den Gemeinden dort haben.
DOMRADIO.DE: Heute wird im Kölner Dom ein ganz besonderer Gottesdienst gefeiert. Pfarrer Mykola Pavlyk, der Leiter der ukrainischen Gemeinde im Erzbistum Köln, feiert um 18:30 Uhr mit wahrscheinlich ziemlich vielen Menschen eine heilige Messe im byzantinischen Ritus. DOMRADIO.DE überträgt und der Gottesdienst wird dem Frieden im Kriegsgebiet gewidmet, der zurzeit allerdings in weiter Ferne scheint. Warum ist dieser Gottesdienst morgen wichtig?
Mühe: Das war den Ukrainern gleich das Anliegen nach dem Friedensgebet, da sie sagten: Wir möchten auch in unserem Ritus eine heilige Messe im Dom feiern. Und da ist der Dom für uns eigentlich ganz, ganz wichtig. Auch als Zeichen nach draußen, im Kölner Dom, in der ja berühmtesten Kathedrale hier in Deutschland. Das würde sogar ein bisschen in die Ukraine reingehen, wenn wir hier eine Messe im byzantinischen Ritus feiern. Und dann hat der Dompropst ganz, ganz schnell gesagt: Natürlich können Sie das auf jeden Fall machen. Wir haben dann nach den Terminen geschaut und dann auch mit den Chören. Es sind ja viele Leute, die da angesprochen werden müssen. Dann kamen wir auf diesen Termin, Donnerstagabend 18:30 Uhr. Das ist wirklich ein ganz besonderes Zeichen.
DOMRADIO.DE: Was unterscheidet den byzantinischen Ritus von unseren normalen Gottesdiensten?
Mühe: Die Ukrainer feiern den Ritus nach Johannes Chrysostomos. Die Göttliche Liturgie von Johannes Chrysostomos aus dem fünften Jahrhundert. Also eine sehr, sehr alte Liturgie, älter als unsere. Die ist natürlich vergleichbar mit dem römischen Kanon, aber eine mit uns unierte Kirche, griechisch-katholisch. Das heißt, viele Messabläufe sind ganz anders. Es beginnt zum Beispiel gleich mit einer Gabenbereitung, also nicht so wie bei uns mit einem langen Wortgottesdienst. Die ganze Liturgie wird gesungen und wenn man die Texte liest, es sind ja sehr alte Texte, dann ist die Sprache doch eine vielleicht manchmal gestrige, aber ich würde mal sagen, fromme. Eine solche Ehrfurcht, die wir hier vielleicht gar nicht mehr kennen, eben durch diese alte Liturgie.
Pfarrer Pavlyk hat das Ganze auch übersetzt und er wird diese Liturgie morgen in deutscher Sprache feiern, weil er sagt: Wenn so viele Menschen kommen, dann wäre das zwar schön in Ukrainisch, aber damit alle mitfeiern können, wird diese Liturgie morgen in deutscher Sprache sein. Und wir haben weitestgehend versucht, die wichtigsten Sachen auch in ein Programmheft zu drucken, damit man das mitverfolgen kann und in diese Liturgie wirklich eintauchen kann.
DOMRADIO.DE: Nach dem Friedensgebet sind einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer gefragt worden: Jetzt haben sie gebetet für die Ukraine glauben sie, dass das hilft? Und eine Frau hat ganz, ganz stark und mutig und sehr selbstbewusst gesagt: Das hilft auf jeden Fall. Sehen Sie das auch so?
Mühe: Das ist nicht nur meine Hoffnung, sondern auch wirklich mein Glaube. Und die Ukrainer sehen das ja noch mehr so, weil sie sagen: Wir können alles Mögliche machen. Aber am wichtigsten ist das Gebet. Über das Gebet und wenn ihr morgen in den Dom kommt, da erfahren wir auch Solidarität, also Gemeinschaft in der Gemeinschaft. Das gibt auch uns etwas, um stark zu sein. Es gibt uns auch Hoffnung für unsere Anverwandten, für die Leute, die wir in der Ukraine haben und wir gehen ein bisschen glücklicher, erfüllter aus dem Dom raus, als wir reingegangen sind. Wenn wir das allein durch so eine Messe erzeugen können, dann haben wir schon viel gemacht.
Das Interview führte Martin Mölder.