Laut einer neuen Umfrage findet jeder dritte junge Mann in Deutschland gelegentliche Gewalt gegenüber Frauen in Ordnung. 33 Prozent der rund 1.000 Befragten zwischen 18 bis 35 nannten es "akzeptabel", wenn ihnen im Streit mit der Partnerin "gelegentlich die Hand ausrutscht".
34 Prozent gaben an, Frauen gegenüber auch mal handgreiflich zu werden, "um ihnen Respekt einzuflößen". Unter den ebenfalls rund 1.000 befragten jungen Frauen nannten 14 beziehungsweise 17 Prozent diese Verhaltensweisen ebenfalls akzeptabel.
Das und noch einiges mehr geht aus einer am Wochenende veröffentlichten repräsentativen Befragung "Spannungsfeld Männlichkeit" der Hilfsorganisation Plan International hervor, über die die Funke Mediengruppe zuerst berichtete.
Bloß nicht zu viele Sexualpartner
Ein anderes Ergebnis: Jeder zweite Mann will keine Beziehung mit einer Frau, die viele Sexualpartner hatte. Gleichzeitig reizt es 37 Prozent der Befragten, "so viele Sexualpartnerinnen zu haben, wie ich kann". 47 Prozent stimmten der Aussage zu: "Wenn eine Frau sich aufreizend verhält, muss sie sich nicht wundern, wenn ein Mann dies als Aufforderung versteht." Zugleich sagten 48 Prozent, sie fühlten sich gestört, "wenn Männer ihr Schwulsein in der Öffentlichkeit zeigen".
"Ziemlich traditionelle" Vorstellung von Männlichkeit
Insgesamt zeigt sich laut Plan International, dass viele junge Männer in Deutschland – aber auch etliche junge Frauen – eine "ziemlich traditionelle" Vorstellung von Männlichkeit und Rollenbildern hätten. Von "wahrer Gleichberechtigung" sei die junge Generation deutlich entfernt. Viele Einstellungen und Verhaltensmuster junger Männer könnten für sie selbst sowie für Frauen und Menschen mit anderen Geschlechteridentitäten schädlich sein.
Für die Erhebung haben den Angaben zufolge im März jeweils 1.000 Männer und Frauen zwischen 18 und 35 Jahren an einer standardisierten schriftlichen Online-Befragung teilgenommen und über ihre Vorstellungen von Männlichkeit Auskunft gegeben. Themen waren unter anderem die Rollenverteilung in Beziehungen, der Umgang mit Gefühlen, Gewaltanwendung, der Umgang mit Problemen und Selbstfürsorge.
Kaum Unterschiede zwischen den Befragten Altersgruppen
Man habe junge Erwachsene mit unterschiedlichen Bildungsabschlüssen aus allen Regionen des Landes repräsentativ befragt, erklärteAlexandra Tschacher, Sprecherin von Plan International Deutschland, am Sonntag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Auch nach Alter sei noch einmal in drei Gruppen unterschieden worden (18-24, 25-29, 30-35). Nennenswerte Unterschiede zwischen den Alters- und Bildungsgruppen habe es nicht gegeben.
Um keine Vorurteile zu schüren, habe man bewusst darauf verzichtet, nach Religion, Nationalität und Migrationshintergrund zu fragen,fügte sie hinzu. Genau danach wurde in zahlreichen Kommentaren auf Twitter und Co. nach der Veröffentlichung häufig gefragt.
Rollenbild des "starken Mannes"
Einige weitere Ergebnisse: 52 Prozent der befragten Männer sehen ihre Rolle darin, Geld zu verdienen; für die Hausarbeit sei vor allem die Frau zuständig. 49 Prozent gaben an, in der Beziehung oder Ehe in der Regel das letzte Wort zu haben. 47 Prozent wollen nicht, dass ihre Partnerin männliche Freunde trifft. 39 Prozent erwarten von ihrer Partnerin, dass sie für den eigenen beruflichen Erfolg zurücksteckt.
Auch das Narrativ vom "starken Mann", der keine Gefühle zeigt, scheint bei etwa der Hälfte der Männer verbreitet. 56 Prozent wollen sich Ängste und Sorgen nicht anmerken lassen. 53 Prozent finden es unangenehm, über ihre Gefühle zu sprechen. 51 Prozent fühlen sich schwach und angreifbar, wenn sie Gefühle zeigen. Umgekehrt geben fast zwei Drittel (63 Prozent) an, sich manchmal traurig oder einsam zu fühlen.
Kritische Auseinandersetzung mit Stereotypen
88 Prozent der Männer äußerten, so zu sein, wie ein Mann ihrer Ansicht nach sein sollte. Zugleich spüren 95 Prozent laut Umfrage Druck von Partnerin, Eltern oder Geschwistern, sich ändern zu müssen. Plan international empfiehlt, Jungen und Männer zu ermutigen, sich kritisch mit gesellschaftlichen Vorgaben für Männlichkeit zu befassen. Bislang sei es beim Thema Gleichberechtigung vorwiegend darum gegangen, Mädchen und junge Frauen zu stärken.
In einer ersten Reaktion forderte Unionsfraktions-Vize Andrea Lindholz (CDU), Staat und Gesellschaft müssten sich "mit der Entwicklung, Erziehung und Aufklärung junger Männer stärker befassen und neue präventive Konzepte entwickeln".