Bereits im vergangenen Jahr brachte die damalige Bundesfamilienministerin sich in Position für das Spitzenamt im Berliner Roten Rathaus. Nun haben sich SPD, Grüne und Linke auf einen Koalitionsvertrag für das Land Berlin geeinigt und Franziska Giffey zur Regierenden Bürgermeisterin der Hauptstadt gemacht: Am Montag wählte das Berliner Abgeordnetenhaus die SPD-Politikerin mit 84 von 139 Stimmen zur neuen Regierungschefin.
Im Frühsommer hatte Giffey wenige Monate vor dem Ende der Legislaturperiode Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) um ihre Entlassung gebeten. Sie wollte damit politisch einen Schlussstrich unter die Diskussionen um ihre Doktorarbeit und die Plagiatsvorwürfe ziehen. Nur kurze Zeit später wurde ihr der Titel dann tatsächlich entzogen.
Alle Aufträge im Koalitionsvertrag abgearbeitet
Zuvor hatte Giffey betont, als Bundesfamilienministerin alle Aufträge im Koalitionsvertrag abgearbeitet zu haben. Mit ihrer frischen Art hatte sie vor fast vier Jahren neuen Schwung in das Ministerium gebracht. Mit dem "Gute-Kita-Gesetz" schaffte sie, was ihren Vorgängerinnen nicht gelungen war: Mit erheblicher finanzieller Unterstützung des Bundes sollen die Länder die Qualität der Einrichtungen verbessern und die Gebühren möglichst niedrig halten oder ganz abschaffen. Der Besuch von Kitas solle mithelfen, dass es "jedes Kind schaffen kann", so lautete ihr Credo.
Da sie die Einführung einer Kindergrundsicherung mit der Union nicht durchsetzen konnte, wollte sie zumindest Familien mit geringem Einkommen besserstellen. Zusammen mit ihrem Ministerkollegen Hubertus Heil (SPD) wählte sie für die Initiative wieder einen plakativen Titel: Mit dem "Starke-Familien-Gesetz" erhielten Geringverdiener einen höheren Kinderzuschlag. Zudem gab es Verbesserungen beim Bildungs- und Teilhabepaket, das etwa ein kostenloses Mittagessen und Zuschüsse bei Schulmaterial vorsieht.
"Konzertierte Aktion Pflege"
Für die "Konzertierte Aktion Pflege" setzte sie sich - noch vor der Coronakrise - zusammen mit Heil und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dafür ein, den Pflegeberuf langfristig attraktiver zu machen. Sehr schnell nach ihrem Antritt entfristete sie zudem die Stelle des Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung.
Zu ihren letzten Projekten als Bundesministerin gehörte die Reform des Jugendmedienschutzgesetzes und die der Kinder- und Jugendhilfe.
Und auf der Zielgerade der Legislatur wurde dann noch der Gesetzentwurf zur Einführung eines Rechtsanspruchs einer Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder verabschiedet.
Giffey erlebte den Mauerfall als Kind und spricht davon gerne "als Glücksfall des vergangenen Jahrhunderts". Sie studierte Verwaltungsrecht und später Verwaltungsmanagement. 2002 wurde sie Europabeauftragte des Berliner Bezirks Neukölln und trat 2007 in die SPD ein. Als Bildungsstadträtin wurde sie schließlich 2015 Nachfolgerin des Neuköllner Bezirksbürgermeisters Heinz Buschkowsky.
Dann kam 2018 die Anfrage ihrer Partei, ob sie sich vorstellen könne, Bundesfamilienministerin zu werden.
Buddy-Bär von Neukölln
Ob als Bundesministerin oder als Spitzenkandidatin ihrer Partei für das Land Berlin: Stets gibt sich die 43-jährige Mutter eines Grundschulkindes, die im Kreis Fürstenwalde in Brandenburg ohne Kirchenbindung aufwuchs, sehr nahbar. Bei Terminen macht sie keinen Unterschied zwischen dem Hausmeister, den Pförtner oder dem Leiter einer Einrichtung: Alle werden von ihr freundlich begrüßt, gerne mit einem kurzen Plausch.
In der Bundespolitik betonte sie immer wieder, dass sie die Familien in Neukölln bei ihren Gesetzesinitiativen vor Augen habe. "Bitte vergessen Sie uns nicht", hätten diese ihr beim Abschied aus dem dortigen Rathaus gesagt. In ihrem Ministerinnenbüro erinnerte sie der Buddy-Bär von Neukölln daran, der im Kleinformat auf ihrem Schreibtisch stand. Die kleine Porzellanfigur kann sie nun ins Rote Rathaus mitnehmen.