Unabhängige Beobachter bestätigen Wahlbetrug in Venezuela

Jeder Vierte will nur noch weg

Die Wahlbeobachter des Carter Center in Washington sehen Venezuelas Opposition als Wahlgewinner. Das Regime von Präsident Maduro reagiert darauf mit Spott und vorgezogenem Weihnachtsfest. Eine Lösung für das Land ist nicht in Sicht.

Autor/in:
Tobias Käufer
Flüchtlinge aus Venezuela / © bgrocker (shutterstock)

Seit dem 1. Oktober hat in Venezuela die Weihnachtszeit begonnen. Ganz offiziell erklärt vom sozialistischen Präsidenten Nicolas Maduro. Auf den Plätzen und in öffentlichen Gebäuden ist die Weihnachtsbeleuchtung ausgepackt und Maduro wünscht seinen Landsleuten "Feliz navidad".

Die katholische Kirche protestiert: Die Art und Weise und der Zeitpunkt der Feierlichkeiten seien Sache der kirchlichen Autorität. "Dieses Fest sollte nicht für propagandistische oder besondere politische Zwecke genutzt werden", ließ die Venezolanische Bischofskonferenz in einer Erklärung wissen.

Maduro ignoriert internationale Forderungen

Doch Machthaber Maduro schafft sich seine eigene Realität. So geschah es auch nach den Präsidentschaftswahlen Ende Juli. Die von den Sozialisten dominierte Wahlbehörde CNE erklärte Maduro zum Wahlsieger; der ebenfalls von der Regierung handverlesene Oberste Gerichtshof bestätigte das Ergebnis. Internationale Forderungen, die Wahlakten transparent offenzulegen, erfüllte die Regierung bis heute nicht.

Nicolas Maduro / ©  Jesus Vargas (dpa)
Nicolas Maduro / © Jesus Vargas ( dpa )

Nun aber haben die Wahlbeobachter des Carter Center, eine vom ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter und seiner Frau gegründete Nichtregierungsorganisation zur Konfliktlösung, die Ergebnisse ihrer Ermittlungen der Organisation Amerikanischer Staaten mitgeteilt. Demnach hat Oppositionskandidat Edmundo Gonzalez die Wahlen gewonnen. Das Carter Center bestätigt damit die Auszählungen des Oppositionslagers auf Basis jener Wahlakten, zu denen sie Zugang hatte.

Hohn und Spott für die Demokratie

Die Maduro-Regierung hatte das Carter Center selbst eingeladen und sprach von "fruchtbaren" Gesprächen mit den Wahlbeobachtern aus Washington. Das war allerdings vor der Wahl. Nun spotten die Hardliner des Regimes. "Es ist unwichtig, was die sagen", erklärt Diosdado Cabello, die Nummer Zwei hinter Maduro. "Diese Leute werden Venezuela nicht mehr betreten", versprach Jorge Rodriguez, Präsident der Nationalversammlung und einer der einflussreichsten Strippenzieher in Caracas.

Demonstration gegen den venezolanischen Präsidenten Maduro. / © Vuk Valcic/ZUMA Press Wire (dpa)
Demonstration gegen den venezolanischen Präsidenten Maduro. / © Vuk Valcic/ZUMA Press Wire ( dpa )

Anerkannt haben Maduros Wahlsieg dessen engste Verbündete aus Kuba, Nicaragua, Bolivien, Russland und China. Die Nachbarländer Brasilien und Kolumbien, ebenfalls linksregiert und als Vermittler aktiv, bestehen - bisher vergeblich - auf der Veröffentlichung der Wahlakten, mit der Maduro seine Behauptung vom Wahlsieg belegen soll. Chiles linker Präsident Gabriel Boric wirft Maduro offen Wahlbetrug und die Errichtung einer Diktatur vor. Mexiko hat sich aus der Vermittlerkommission mit Brasilien und Kolumbien zurückgezogen.

Der venezolanische Oppositionsführer und Kandidat für die Präsidentschaft von Venezuela bei der letzten Wahl Edmundo Gonzalez Urrutia macht das Siegeszeichen. / © Elena Fernández/EUROPA PRESS (dpa)
Der venezolanische Oppositionsführer und Kandidat für die Präsidentschaft von Venezuela bei der letzten Wahl Edmundo Gonzalez Urrutia macht das Siegeszeichen. / © Elena Fernández/EUROPA PRESS ( dpa )

Wie es nun weitergeht, ist unklar. Der mutmaßliche Wahlsieger Gonzalez hat auf Druck der venezolanischen Justiz das Land verlassen und befindet sich im Exil in Spanien. Oppositionsführerin Maria Corina Machado dementiert Gerüchte, sie werde ebenfalls Venezuela den Rücken kehren: "Ich bleibe an der Seite des venezolanischen Volkes." Der Europarat verlieh ihr den Vaclav-Havel-Preis.

Menschen fliehen vor dem Regime

Maduros Amtszeit läuft noch bis zum 11. Januar 2025. Er werde auf jeden Fall für sechs weitere Jahre vereidigt, erklärte Cabello. Laut einer in dieser Woche veröffentlichten Umfrage des Instituts "Poder y Estrategia" erwägen nun 26 Prozent der noch in Venezuela lebenden Einwohner, ihre Heimat zu verlassen. Regierungskritische Proteste ließ das Maduro-Regime blutig niederschlagen: Zwei Dutzend Tote, mehr als 60 verhaftete Oppositionelle, 18 verhaftete Journalisten meldeten einheimische Medien. Bereits in den vergangenen Jahren hatten rund acht Millionen Venezolaner das Land verlassen. Vorausgegangen war ein klarer Wahlsieg der Opposition bei den Parlamentswahlen. Statt die Niederlage zu akzeptieren, ließ Maduro die Nationalversammlung auflösen.

Die Mehrheit zieht es in die USA. Von dort gibt es für sie aber schlechte Nachrichten: Washington will die Politik der "humanitären Visa" nicht fortsetzen. Selbst die, die zuletzt über das sogenannte "Parole"-Programm legal eingereist sind, könnten theoretisch abgeschoben werden. Vor den US-Wahlen am 5. November wollen die Administration, Präsident Joe Biden und Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris offenbar einen harten Migrationskurs fahren. Wie Harris oder ihr republikanischer Gegenspieler Donald Trump dann weiter vorgehen wollen, ist unklar. Eine Lösung für die Krise ist jedenfalls nicht in Sicht.

Quelle:
KNA