Das sagte Unicef-Sprecher Rudi Tarneden am Montag im WDR-Radio. Das sei insbesondere für Kinder gefährlich. "Wir sind sehr besorgt, dass es zum Ausbruch von Seuchen und schweren Krankheiten kommt." Das UN-Kinderhilfswerk hat nach Tarnedens Worten in der vergangenen Woche 16.000 Liter Benzin zu einer großen Pumpstation gebracht. Das reiche aber nicht aus. "Es muss dringend erreicht werden, dass die Stromversorgung wieder in Gang kommt", betonte der Unicef-Sprecher. Ein Problem sei auch, dass die Zugangsrouten zur Stadt immer wieder in den Händen unterschiedlicher Gruppen seien, was bedeute, dass Helfer ständig mit neuen Menschen verhandeln müssten.
Skepsis gegenüber Luftbrücken-Vorschlag
Die Aussichten für die von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) vorgeschlagene Luftbrücke für Aleppo sieht Tarneden skeptisch. Zwar sei jeder Versuch, die notleidende Bevölkerung zu erreichen, entscheidend. "Aber das Problem ist, dass man diesen Zugang nur dann gewährleisten kann, wenn beide Seiten zustimmen." Auch eine Luftbrücke sei von einem Minimum an Luftsicherheit abhängig. "Niemand wird es wagen, da reinzufliegen, wenn so viele schwere Waffen, auch zielgenaue Waffen, unterwegs sind, und sich beide beteiligten Seiten nicht einig sind, ob man die passieren lässt", sagte Tarneden.
Feuerpause gefordert
Der Sprecher des Kinderhilfswerks betonte, nötig sei eine 48-stündige Feuerpause. So viel Zeit benötigten die Helfer, um große Hilfstransporte über die Grenze der Türkei und aus dem restlichen Gebiet Syriens nach Aleppo zu bringen. Die von Russland verkündete dreistündige Feuerpause pro Tag sei zwar ein "wichtiges Signal", aber dafür zu kurz.
Nahost-Experte beschreibt Situation als "aussichtslos"
Auch der Nahost-Experte Günter Meyer sieht die Lage der Menschen in der umkämpften syrischen Stadt Aleppo mit großer Besorgnis. Im Augenblick sei die Situation "aussichtslos", sagte der Professor am Geographischen Institut der Universität Mainz am Montag im Deutschlandradio Kultur. Er begrüße die Verhandlungen über eine Feuerpause und die "verzweifelten Hilferufe" der Ärzte, die einen gewissen politischen Druck ausübten. "Aber dass es tatsächlich zu einer humanitären Lösung kommen kann, vor allen Dingen bei der Größenordnung, die wir hier haben - die UN hatte 48 Stunden gefordert, um die Bevölkerung versorgen zu können -, daran ist natürlich überhaupt nicht zu denken."
Letzte Waffenruhe zu Aufrüstung genutzt
Meyer verwies auf die Erfahrungen mit der vergangenen UN-Waffenruhe. Sie sei vor allem dafür genutzt worden, dass Dschihadisten in großer Zahl in den Ost-Teil von Aleppo gekommen und auch mit Waffen versorgt worden seien. Die Waffen seien über die Türkei von Katar und Saudi-Arabien finanziert worden. Hier habe "die Haupt-Aufrüstung" stattgefunden, so Meyer. "Und von einer solchen Waffenruhe sich so austricksen zu lassen - aus russischer beziehungsweise der Sicht der Assad-Regierung - das will man nicht noch ein zweites Mal."