Sorgen bereite besonders der Exodus der Christen aus Syrien und dem Irak, wo vor allem die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) die Existenz der Glaubensgemeinschaften bedrohe, sagte Open-Doors-Analyst Thomas Müller der Tageszeitung "Die Welt" (Mittwochsausgabe).
Dort, wo Christen vertrieben würden, gehe "eine Epoche zu Ende", sagte Müller. In der vom IS beherrschten irakischen Stadt Mossul gebe es erstmals seit 1.600 Jahren keinen christlichen Gottesdienst mehr. Im Irak ist laut Open Doors die Anzahl der Christen von 1,1 Millionen beim Einmarsch der USA 2003 auf heute unter 300.000 gesunken. In Syrien sank sie demnach von 1,7 Millionen vor dem Beginn des Aufstandes gegen Präsident Baschar al-Assad und dem folgenden Bürgerkrieg auf heute deutlich unter einer Million; darunter seien allerdings viele Binnenflüchtlinge.
Gewalt gegen Christen nehme auch in manchen nicht-muslimischen Ländern zu, hieß es. Es habe in diesem Jahr "buddhistische Mobs" gegen Christen in Sri Lanka gegeben, ebenso in Myanmar. "In Indien schürt die hindu-nationalistische Regierung Spannungen gegen Muslime und Christen", sagte Müller.
Open Doors forderte die Politik dazu auf, verfolgte Christen weltweit sofort zu unterstützen - bevor sie in manchen Ländern "als wichtige Stimme der Versöhnung, aber auch als Glaubensgemeinschaft vertrieben und ausgelöscht werden". Bisher sei diese Hilfe nicht annähernd in dem Umfang geschehen, wie es nötig sei. Obwohl EU-Parlament und Bundesregierung darüber sprächen, fehle es an wirksamen Maßnahmen, beklagte Müller.
Jährlicher Verfolgungsindex von Open Doors
Bekannt ist die evangelikale Organisation Open Doors für die Herausgabe eines jährlichen "Weltverfolgungsindex", der seit 1993 jene 50 Länder auflistet, in denen Christen am meisten verfolgt werden. An der Spitze des Index steht seit vielen Jahren Nordkorea. Die Rangliste von "Open Doors" ist jedoch nicht unumstritten. Die beiden großen Kirchen in Deutschland bezeichnen die Zahl von 100 Millionen verfolgter Christen weltweit als unseriös, weil nicht belegbar und von den Kriterien her ungenau.
Menschenrechtsexperten kritisieren unter anderem, dass Christen pauschal die Opfer- und vor allem Muslimen die Täterrolle zugeschrieben werde. Zudem würden sehr unterschiedliche Tatbestände wie rechtliche Diskriminierung, Benachteiligung im Alltag oder terroristische Gewalt pauschal unter dem Begriff Verfolgung zusammengefasst.
GfbV: Politik der Islamisierung im Sudan
Auch im Sudan werden Christen nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) zunehmend ausgegrenzt und verfolgt. "Dieses Weihnachtsfest ist von Angst und Schrecken geprägt. Denn die sudanesische Regierung betreibt eine rigorose Politik der Islamisierung, besonders seit der Loslösung des überwiegend christlichen Südsudans im Juli 2011", berichtete der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Mittwoch in Göttingen. Nach seiner Darstellung wurden am Freitag vergangener Woche wieder zwei Pastoren verhaftet. Im Oktober seien auf Anordnung der Behörden drei Kirchen zerstört worden.
Bei den Verhafteten handelt es sich den Informationen zufolge um die Pastoren Kowa Shamaal und Hassan Abdelrahim von der Sudanesischen Kirche Christi (SCOC). Sie wurden von Angehörigen des nationalen Sicherheitsdienstes (NISS) abgeholt. Der NISS ist wegen seiner Menschenrechtsverletzungen und Verstrickungen in Gewalt und Folter berüchtigt. Die beiden Kirchenleute gehören den ethnischen Gemeinschaften der Nuba an, die in den seit Jahren umkämpften Nuba-Bergen Süd-Kordofans leben. An ihnen wurde in den 1990er Jahren Völkermord verübt. Die GfbV vermutet, dass die Festnahmen auf die Proteste der Pastoren gegen die Zerstörung ihrer Kirchen zurückgehen. Die beiden hatten im Oktober öffentlich der offiziellen Darstellung widersprochen, eine Kirche der SCOC sei 1998 auf Regierungsland errichtet worden.
Die Festnahmen lösten laut Delius unter Sudans Christen große Furcht vor einer neuen Welle der Verfolgung aus. Erst am 5. August waren zwei südsudanesische Pastoren der Presbyterianischen Evangelikalen Kirche aus sudanesischer Haft freigekommen. Sie waren festgenommen worden, weil sie gegen die Verfolgung von Priestern protestiert hatten und waren fast acht Monate lang inhaftiert. Erst nach massiven internationalen Protesten wurden die Anklagepunkte reduziert, so dass sie nur wegen minder schwerer Delikte verurteilt wurden. Nach ihrer Freilassung suchten sie im Ausland Schutz.