Die Karten für das Adelphi Theater in der Nähe des Broadways waren ausverkauft, alle 1.100 Plätze besetzt. Viele Interessierte mussten für die Premiere der neuen Fernseh-Show abgewiesen werden. Um 19.59 Uhr war es endlich so weit. Ein kleiner Mann wandte sich an das Publikum: "Guten Abend. Mein Name ist Fulton Sheen. Willkommen zu 'Das Leben ist lebenswert'". An diesem Abend vor 70 Jahren, am 12. Februar 1952, wurde Fernsehgeschichte in den USA geschrieben: Bischof Fulton Sheen wurde mit einer eigenen Sendung zum TV-Star.
Bischof mit Emmy
In der Pionierzeit des US-amerikanischen Fernsehens erzielte seine wöchentliche Sendung die höchsten Einschaltquoten. Zudem ist Sheen, der 1979 im Alter von 84 Jahren starb, der wohl einzige katholische Oberhirte, der einen Emmy - den Fernseh-Oscar - bekommen hat.
"Onkel Fultie", so sein Spitzname, verkündete eine halbe Stunde lang, warum das Leben lebenswert ist. Er nahm zu aktuellen Fragen ebenso wie zu grundsätzlichen Themen Stellung und traf damit das Zuschauerinteresse. Pro Woche erhielt er rund 8.000 Briefe, viele von Nicht-Katholiken. Obwohl er eigentlich katholisch-theologische Predigten hielt, waren sie so geschickt verpackt, dass sie ein weites Publikum ansprachen.
Nicht nur bei Katholiken beliebt
"Das Leben ist lebenswert" lief fünf Jahre. Nicht nur Katholiken, auch Protestanten und Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften planten ihren Dienstagabend um die Sendung herum. Was sahen sie dann? Fulton Sheen im Bischofsgewand, eine Tafel und eine Marienstatue, die unter dem Namen "Unsere Liebe Frau vom Fernsehen" bekannt wurde.
Bischof Fulton Sheen war ein Star. Seine Bücher eroberten Bestseller-Listen. Ob im Radio, im Fernsehen oder auf der Kanzel - er begeisterte die Menschen. Kein Wunder, dass ihn der Vatikan als "unseren rechten Arm in Amerika" bezeichnete. Der Bischof war das populäre Gesicht des Katholizismus, der in Amerika das Immigrantenghetto hinter sich gelassen hatte und gesellschaftsfähig wurde. Nach jahrhundertelangem Misstrauen und Anfeindungen wurde der katholische Glaube ein anerkannter Teil des "American Way of Life". Damit wurde der Weg bereitet für den ersten katholischen Präsidenten der Vereinigten Staaten: John F. Kennedy.
Aus einfachen Verhältnissen
Fulton Sheen wurde am 8. Mai 1895 geboren, stammte aus einfachen Verhältnissen. Weil er schon früh durch akademische Brillanz auffiel, wurde er zum Studium an die Katholische Universität von Amerika in Washington geschickt, dann weiter an die Universität Löwen in Belgien, die Sorbonne in Paris und zum Schluss nach Rom. Über seinem Glanz als TV-Star wird gerne vergessen, dass Sheen ein konservativer, scholastisch geprägter Theologe war.
Von 1926 bis 1950 lehrte Fulton Sheen an der Katholischen Universität von Amerika. Einem breiteren Publikum bekannt wurde er erstmals, als er 1930 Sprecher für das Radioprogramm "Die katholische Stunde" wurde - ebenfalls ein riesiger Erfolg, der nur noch von seiner Fernsehsendung übertroffen wurde. Papst Paul VI. ernannte ihn 1966 zum Bischof von Rochester im US-Bundesstaat New York.
Verfahren zur Seligsprechung
In den 50er Jahren noch als "Kommunistenfresser" gefeiert, machte er sich Feinde in der eigenen Kirche wie auch in der Regierung, als er US-Präsident Johnson zum sofortigen Rückzug aus dem Vietnam-Krieg aufforderte. 1969, mit 74 Jahren, trat er als Bischof zurück. In der Öffentlichkeit blieb er aber bis zu seinem Tod im Dezember 1979 präsent.
2003 wurde dann das Verfahren zur Seligsprechung eröffnet. In diesem Zusammenhang kam es zu einem eigenwilligen Rechtsstreit um die letzte Ruhestätte von Fulton Sheen. Begraben lag er in der New Yorker St.-Patrick's-Kathedrale, seine Familie aber wollte ihn in die Kathedrale von Peoria (Illinois) verlegen lassen. Sie bekam durch alle Instanzen recht.
Kurz vor Weihnachten 2019 stand die offizielle Seligsprechung an, doch wurde die Zeremonie kurz vorher abgesagt. Der Grund dafür dürfte in einer Klage aus dem Jahr 2007 zu finden sein. Darin wird Sheen vorgeworfen, in seiner Zeit als Bischof in New York einen Missbrauchsfall vertuscht zu haben. Seitdem ist nichts mehr in dieser Angelegenheit öffentlich geworden.