USA-Experte Brüntrup zum Polit-Personal-Karussell in Washington

"Trump muss Ordnung in seinen Laden bringen"

US-Präsident Trump hat seinen gerade erst ernannten Kommuniksationsdirektor Scaramucci gefeuert, davor Stabschef Priebus. Ob man von Chaos im Weißen Haus sprechen kann, berichtet Jesuitenpater Godehard Brüntrup im Interview.

Chaos-Politik im Weißen Haus? / © Bernd Von Jutrczenka (dpa)
Chaos-Politik im Weißen Haus? / © Bernd Von Jutrczenka ( dpa )

domradio.de: Mal ganz ehrlich - was haben Sie gedacht, als Sie gehört haben, dass Scaramucci jetzt auch schon wieder weg vom Fenster ist?

Pater Godehard Brüntrup (Philosophie-Professor und USA-Experte): Überrascht hat mich das nicht, weil er sich ja in ganz kurzer Zeit vollkommen unmöglich gemacht hat. Dies hat er mit einer Art der Vulgarität getan, von einer Art der Tiefe des Niveaus, wie wir es bisher noch nicht gesehen hatten – und das heißt in der Gegenwart schon viel. Aber auf der anderen Seite war es schon klar, dass er nur zu einem bestimmten Zweck ins Weiße Haus geholt worden war, nämlich um dort die Vertreter des Establishments der Republikanischen Partei, Herrn Priebus und Herrn Spicer, raus zu kicken. Das hat er ja auch sehr schnell geschafft. Was wir momentan beobachten in der Trump-Regierung ist ja, dass er sich von den Demokraten sowieso, aber auch vom Establishment seiner eigenen Partei immer unabhängiger macht und vollkommen außerhalb des Polit-Establishments in Washington regieren will. Das ist eindeutig seine jetzige Richtung.  

domradio.de: Trumps Umfragewerte sind längst empfindlich abgerutscht, lagen zuletzt bei gerade mal 36 Prozent. Eigentlich kann er sich so ein Hin und Her absolut nicht mehr leisten, oder? 

Brüntrup: Er steht ja jetzt nicht zur Wiederwahl und hat erst mal vier Jahre Amtszeit vor sich. Schon viele Präsidenten vor ihm haben in der Beliebtheit sehr weit unten gestanden; die Umfragewerte bedrohen ihn also im Moment noch nicht. Er muss jetzt aber Ordnung in seinen Laden bringen. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum er den früheren Vier-Sterne-General der Marine, John Kelly, ins Weiße Haus geholt hat. Etwas Vergleichbares haben wir zum letzten Mal unter Präsident Nixon erlebt, der in der Watergate Affäre General Alexander Haig als Stabschef holte. Das heißt, hier brennt offensichtlich vieles und Trump wollte jemanden ins Weiße Haus setzen, der mit militärischer Disziplin Ordnung in den Laden bringen kann.

domradio.de: Wird Trump Kelly denn machen lassen?

Brüntrup: Ich glaube, Kelly würde sehr schnell wieder gehen, wenn er nicht die Macht bekommt, die ein Stabschef normalerweise hat. So dass da nicht Frau Trump oder Herr Kushner oder irgendjemand sonst ohne Wissen des Stabschefs Termine macht und solche Dinge, wie wir jetzt durch Indiskretionen gehört haben. Der Stabschef hat große Macht und die wird John Kelly mit Sicherheit für sich in Anspruch nehmen. Er ist übrigens Student der Jesuiten-Universität in Georgetown – wie auch zehn Prozent der Mitglieder im gegenwärtigen Kongress von Jesuiten-Schulen kommen.      

domradio.de: Im vergangenen November haben auch viele Christen Trump gewählt. Wissen Sie etwas darüber, ob sich in dieser Wählergruppe das Ansehen des amtierenden Präsidenten verändert hat?

Brüntrup: Ich glaube nicht, dass es sich dramatisch verändert hat. Denn diejenigen, die ihn gewählt haben, haben ihn aus einem einzigen Grund gewählt: Dass er nämlich die Richterposten in den USA mit Konservativen besetzt. So dass in den entscheidenden Grundwertefragen – Abtreibung, Gentechnik, Stammzellenforschung etc. – eine konservative Politik betrieben wird. Und genau das tut Trump; er verändert die Justizlandschaft mit geradezu atemberaubenden Tempo. Dafür haben die christlich Konservativen ihn gewählt und sind jetzt gar nicht so unzufrieden damit, wie er das macht. Natürlich sehen auch viele, dass im Weißen Haus Chaos herrscht und dass die großen Gesetzesvorhaben nicht durchkommen. Da verliert Trump schon an Popularität. Aber ich glaube, im Großen und Ganzen fühlt die Gruppe der konservativen Religiösen sich noch von ihm vertreten. 

domradio.de: Viele Erfolge hat Trump bisher ja nicht gerade vorzuweisen. Er hat es nicht geschafft, Obamacare zu kippen, die Mauer zu Mexiko steht auch noch in den Sternen und jetzt hat er auch Russland gegen sich aufgebracht. Eine mindestens ernüchternde, wenn nicht gar verheerende Zwischenbilanz - oder?

Brüntrup: Die Mauer ist ohnehin kein Projekt, das nach ein paar Monaten zu realisieren wäre. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass Trump an der Grenze noch größere Vorhaben durchsetzt. Schwieriger ist die Geschichte mit Obamacare. Da sehen wir, dass die eigene Republikanische Partei ihn im Stich lässt. Und da komme ich noch mal auf meine Eingangsthese zurück: Trump versucht mehr und mehr eine Regierung aufzubauen, die mit dem Establishment der traditionellen Parteien nichts mehr zu tun hat. Das ist durchaus eine Gefahr für die Demokratie, die nicht klein geredet werden sollte. Die Konzentration der Macht in einem Familienclan, das könnte für die Demokratie in den USA – wenn man es nicht von Anfang unter Kontrolle hält und gegensteuert – eine Gefahr bedeuten.

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.


Prof. Dr. Godehard Brüntrup SJ (privat)
Prof. Dr. Godehard Brüntrup SJ / ( privat )
Quelle:
DR