Während ähnliche Vorfälle etwa beim italienischen Militär in der Öffentlichkeit mit Toleranz gesehen würden, gebe es "extreme Strenge gegenüber der Institution Kirche", heißt es in einem Leitartikel der Samstagsausgabe des Blattes.
Der Beitrag verweist auf krude, mit sexueller Gewalt verbundene Aufnahmerituale in einer römischen Kaserne in den 1980er Jahren. Ein kürzlich publizierter Bericht darüber habe keinerlei öffentliche Empörung ausgelöst.
"Quelle aller Übel"
Hinsichtlich der Übergriffe in Regensburg bezweifle niemand, dass es sich um "schändliche und beschämende Taten" handle, die bestraft und in Zukunft verhindert werden müssten; auffällig sei aber der "Grad medialer Manipulation", so die Autorin Lucetta Scaraffia, Historikerin und Mitglied des nationalen italienischen Bioethik-Komitees.
"Die Angewohnheit, die katholische Kirche als Quelle aller Übel zu bezeichnen, ist schon Teil der Alltagserfahrung und bereitet die öffentliche Meinung darauf vor, das für normal zu halten", schreibt Scaraffia.
Schwere Schuld
Als Beispiel nennt sie einen Beitrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Italien über die Probleme eines lesbischen Paares, gemeinsam als Mütter von vier Kindern anerkannt zu werden. Die Schuld werde "dem Vatikan" gegeben - außer Acht lassend, dass die italienische Gesetzgebung dafür maßgeblich sei und auch viele Nichtkatholiken Einwände gegen Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern hätten.
Es sei "der alte Schwindel, die Schuld an allem der Kirche zu geben". Zwar werde von der Kirche zu Recht besondere Vorbildlichkeit verlangt, "aber dieser beständige Rückgriff auf zweierlei Gewicht und zweierlei Maß bei der Beurteilung ihres Verhaltens und der Zuschreibung von Verantwortlichkeit dient niemandem", so Scaraffia in der Papstzeitung.
Untersuchungsbericht zu Missbrauchsfällen
Mehr als 550 Kinder des weltweit renommierten Chores der Regensburger Domspatzen wurden misshandelt und sexuell missbraucht. Zu diesem Ergebnis kommt ein Abschlussbericht, den der für die Aufarbeitung zuständige Rechtsanwalt Ulrich Weber vorgelegt hat. Die konkrete Aufklärung der Vorfälle dauerte zwei Jahre.