DOMRADIO.DE: War das klug von Franziskus, so eine öffentliche Erklärung abzugeben, dass er dementiert, er werde zurücktreten?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte): Ich denke schon. Also ich sehe da deutliche Parallelen auch zu einer weltlichen Autorität. Wenn ich das Thronjubiläum von Königin Elisabeth II. betrachte, sehe ich Ähnlichkeiten. Auch die Königin sieht sich in ihr Amt von Gott berufen. Sie ist der festen Überzeugung, dass auch nur Gott sie abberufen kann. So sieht das Franziskus in seinem Falle auch. Wenn er das klipp und klar sagt, weil er ja bestimmt auch die ganzen Gerüchte mitbekommen hat, finde ich das sehr gut.
DOMRADIO.DE: Hat dann Benedikt XVI. mit seinem Rücktritt doch mehr angerichtet, als zunächst vermutet?
Nersinger: Ich will nicht über den Altpapst urteilen. Ich habe immer gesagt, dass ich die Entscheidung nicht besonders klug und richtig finde. Aber es ist natürlich seine Entscheidung. Als Papst war er der Souverän und konnte frei entscheiden, was er macht. Aber ich denke, es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die Entscheidung nicht die klügste war. Denn wir haben jetzt immer die Rede von zwei Päpsten. Wenn der Jetztige auch noch noch zurücktritt: Die Kirche verträgt kein Altersheim von Päpsten im Vatikan.
DOMRADIO.DE: Dass wir zwei Päpste haben, ist nur die Auffassung des einen oder anderen und natürlich nicht die Realität.
Nersinger: Nein, auf keinen Fall. Aber in den katholischen Medien beobachtet man, dass es doch sehr starke Kräfte gibt, die entweder davon reden, dass der Stuhl Petri leer ist, dass der Papst gezwungen worden ist, zurückzutreten, dass der wahre Papst Benedikt sei. Das geht in die Richtung, dass Leute glauben, dass Papst Franziskus, der jetzige Heilige Vater nicht der wahre Papst ist.
DOMRADIO.DE: Die Option "Ich trete als Papst zurück" gibt es so eigentlich nicht. Ist sie mehr in den Vordergrund gerückt, seit Benedikt das gemacht hat?
Nersinger: Bedauerlicherweise ja. Ich denke, auch wenn ein Papst gesundheitliche Schwierigkeiten wie der jetzige Heilige Vater hat, gibt es viele Möglichkeiten, das Amt voll auszufüllen, zu leben und wirklich zu wirken. Ein Rollstuhl hindert ja den Papst nicht daran zu wirken. Wir haben ja gesehen, man kann auch feierliche Messen feiern, indem man einen Kardinal die Messe zelebrieren lässt und der Papst dennoch anwesend ist.
Ich denke an ein historisches Beispiel: 1981 wollte Papst Johannes Paul II. unbedingt beim Eucharistischen Kongress in Fatima dabei sein, aber einige Monate zuvor wurde das Attentat auf ihn verübt. Was hat er gemacht? Er hat einen Legaten nach Fatima geschickt und ihm ein sehr starkes persönliches Zeichen mitgegeben: seinen Hirtenstab.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.