Sie reden gerne, sie reden viel. Die italienischen Verteidiger im Vatikanstrafprozess rund um den Finanzskandal und Kardinal Giovanni Angelo Becciu ergriffen am siebten Verhandlungstag mit Inbrunst das Wort. Lautstark prasselten die Redebeiträge am Freitag auf den Vorsitzenden Richter Giuseppe Pignatone und seine Beisitzer. Der Tenor der Verteidigung wie zuvor unisono: Verfahrenseinstellung - sofort. So einfach wollen es sich die Richter aber nicht machen.
Verhandlung vertagt
Nach rund viereinhalb Stunden vertagte das Gericht die Verhandlung auf den 28. Februar. Am 1. März wolle er eine Entscheidung zum weiteren Fortgang verkünden, erklärte Pignatone. Seine Emotionen schwankten zwischen Langeweile, Verärgerung und Belustigung. Dabei schloss Pignatone eine Einstellung des Verfahrens nicht aus; zugleich rief er die Verteidiger auf, ihre Mandanten auch auf eine mögliche Hauptverhandlung vorzubereiten.
Die Verteidiger der wieder zehn Angeklagten - vier zwischenzeitlich ausgenommene Personen sind erneut in den Prozess integriert - kritisierten deutlich die Strafverfolgung. Dabei reichten die Klagen von Unfähigkeit bis zu Unwillen, angemessen zu arbeiten. Mit verschiedenen Argumentationen stellten die Juristen zudem die Rechtmäßigkeit des Prozesses im Vatikan infrage.
Die Protagonisten
Der Prozess kreist seit seinem Beginn im Juli um formale Fragen, auch wenn Pignatone nach eigener Aussage versucht, aus diesem Kreislauf herauszukommen. Im Fokus stehen unter anderem die Befragungen des Hauptzeugen Alberto Perlasca. Er war viele Jahre Verwaltungsleiter der ersten Abteilung im Staatssekretariat, hatte Zugriff auf dessen Kassen. Etliche sähen ihn lieber auf der Anklagebank.
Nach langem Hin und Her hatte die Strafverfolgung den Verteidigern im November Einsicht in Audio- und Videoaufnahmen sowie schriftliche Protokolle der Vernehmungen gewährt. Hier gibt es aber Differenzen zwischen Protokollen und Aufnahmen. Die Strafverfolgung verteidigt ihr Vorgehen und begründet fehlende Abschnitte damit, dass diese entweder der Geheimhaltung unterlägen oder irrelevant seien.
Die Strafverfolgung rund um Alessandro Diddi, zu allem Überfluss ein ehemaliger Gegenspieler von Richter Pignatone in italienischen Strafverfahren, hat offenbar Unmengen an Beweisen, die wohl für weit mehr Prozesse reichen. So hatte Diddi auch zwischenzeitlich die Anklageschrift zurückgefordert und überarbeitet. Seit Januar liegt sie dem Gericht wieder vor.
Damit sind der ehemalige Sekretär Mauro Carlino, der Fondsmanager Raffaele Mincione, der Mailänder Rechtsanwalt Nicola Squillace sowie Fabrizio Tirabassi, wieder zurück auf der Anklagebank. Letzterer war die Schnittstelle zwischen Vatikan und Finanzmaklern - mit zweifelhaften Ruf. Vordergründig geht es um verlustreiche Investitionen des vatikanischen Staatssekretariates in eine Londoner Luxusimmobilie. Von rund 350 Millionen Euro ist die Rede. Auch der Peterspfennig soll betroffen sein.
Mit ihnen angeklagt sind der Kardinal, die italienischen Finanzmakler Enrico Crasso und Gianluigi Torzi, die Sicherheitsberaterin Cecilia Marogna sowie die ehemaligen Verantwortlichen der vatikanischen Finanzaufsicht (AIF), Tommaso di Ruzza und Rene Brülhart. Erschienen sind bislang nur Becciu und Carlino. Beide beteuern ihre Unschuld.
Becciu werden dubiose Zahlungen vorgeworfen
Dabei ist gerade bei Becciu die Londoner Immobilie eher Nebenschauplatz. Ihm werden dubiose Zahlungen als ehemaliger Substitut im vatikanischen Staatssekretariat an seine sardische Heimatdiözese vorgeworfen. Er soll seinem Bruder und dessen Sozialorganisation hohe sechsstellige Beträge zugeschustert haben. Erst in dieser Woche gab es auf Sardinien und in Rom erneut Durchsuchungen der italienischen Finanzpolizei auf Anweisung der Staatsanwaltschaft im sardischen Sassari.
Dass in Beccius Erklärungen vor der Presse die Summen wohl nicht mit denen in der Anklageschrift übereinstimmen, lässt er außen vor. Dass in der betroffenen Diözese Ozieri noch weitere Familienmitglieder Beccius tätig sind; und dass auch noch sechsstellige Zahlungen an die ebenfalls angeklagte Sicherheitsberaterin Marogna geflossen seien sollen: All das steht auf einem anderen Blatt. Der Kardinal wäscht seine Hände in Unschuld.