Verbände und Teile der Regierung kritisieren Asyl-Einigung

Kinder nicht ausreichend geschützt

Die EU-Innenminister haben sich auf eine einheitliche Asylpolitik geeinigt, die auf eine Verschärfung hinausläuft. Die Bundesregierung drängt auf den besonderen Schutz von Kindern. Die Kritik an der Einigung ist teilweise deutlich.

Autor/in:
Gottfried Bohl und Birgit Wilke
Ein Flüchtlingsheim, bestehend aus Containern / © Julia Steinbrecht (KNA)
Ein Flüchtlingsheim, bestehend aus Containern / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Nach der Einigung der EU-Innenminister auf ein verschärftes Asylrecht üben viele Verbände, aber auch Teile der Bundesregierung Kritik. So bezeichnete Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) die gefundene Regelung am Freitag als "problematisch". Regierungssprecher Steffen Hebestreit sprach von "bitteren Pillen", die im Zuge der Einigung geschluckt werden mussten. 

Die EU-Innenminister einigten sich am Donnerstagabend in Luxemburg nach jahrelangem Streit auf eine gemeinsame Position zur Verschärfung des europäischen Asylrechts. Im Mittelpunkt steht dabei die Einführung von Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen, um illegale Migration einzudämmen. Das EU-Parlament muss über die Einigung noch beraten.

"Schwerer Rückschlag"

In einer ersten Reaktion sprach der Jesuiten-Flüchtlingsdienst auf Anfrage von einem schweren Rückschlag für den Schutz der Menschenrechte in Europa. Man habe sich auf Abwehr und Abschreckung geeinigt und dabei die eigentlichen Probleme ungelöst gelassen, erklärte der stellvertretender Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes Deutschland, Stefan Keßler. Der gefundene politische Kompromiss gehe zu Lasten der Schwächsten, nämlich der Schutzsuchenden, unter ihnen Frauen und Kinder. Damit würden auch die europäischen Grundwerte, Menschenwürde und Solidarität, aufs Spiel gesetzt.

"Verwässerte Kriterien"

Der Deutsche Caritasverband twitterte, es sei "skandalös", dass Deutschland Ausnahmen für Familien mit Kindern nicht durchsetzen konnte. Es sei extrem bitter, wie nun Menschenrechte ausgehöhlt würden. Auch Pro Asyl meinte, selbst Familien mit Kindern würden künftig an Europas Grenzen in Haftlagern hinter Stacheldraht landen. Die massiv verwässerten Kriterien für angeblich sichere Drittstaaten öffneten Tür und Tor, um sich der Schutzsuchenden auf scheinlegale Weise zu entledigen. Diakonie und Brot für die Welt bemängelten ebenfalls, dass die EU ihre Schutzverantwortung nicht an Drittstaaten delegieren dürfe. 

Mehr Menschlichkeit und Solidarität nötig

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen warnte vor "katastrophale Folgen für schutzbedürftige Menschen". Mediziner behandelten seit Jahren Menschen, die aufgrund der fatalen europäischen Abschreckungs- und Abschottungspolitik dringend Hilfe benötigten. Der Paritätische Wohlfahrtsverband erklärte, in der europäischen Flüchtlingspolitik brauche es mehr Menschlichkeit und Solidarität statt Abschottung und nationalem Egoismus.

Politik: Kompromiss überfällig

Dagegen verteidigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) den Kompromiss und nannte die Regelung nach jahrelangem Streit historisch. Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte, der Kompromiss sei "überfällig, um zu verhindern, dass es wieder zu Zuständen an den EU-Außengrenzen wie in Moria kommt und dass Europa auseinander fliegt". Er schaffe eine Perspektive, das unsägliche Leid an den EU-Außengrenzen zu beenden. 

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte, die Bundesregierung habe sich zusammen mit den Regierungen von Irland, Luxemburg und Portugal in einer Protokollnotiz zum Schutz von minderjährigen Kindern an den EU-Außengrenzen eingesetzt. Zugleich betonte er, dass allein reisende minderjährige Flüchtlinge von den geplanten Asylverfahren an den EU-Grenzen ausgeschlossen seien. Auch für Familien, die mit minderjährigen Kindern unterwegs seien, gelten die Standards der UN-Kinderrechtskonvention. Er hoffe, dass es im parlamentarischen Verfahren zu Verbesserungen komme.

Einigung von EU-Staaten: Asylverfahren sollen verschärft werden

Die Asylverfahren in der EU sollen angesichts der Probleme mit illegaler Migration deutlich verschärft werden. Bei einem Innenministertreffen in Luxemburg stimmte am Donnerstag eine ausreichend große Mehrheit an Mitgliedstaaten für umfassende Reformpläne, wie der schwedische Ratsvorsitz am Donnerstagabend nach stundenlangen schwierigen Verhandlungen mitteilte. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: "Es waren keine leichten Entscheidungen, für alle die hier am Tisch stehen, aber es waren historische."

Asylantrag / © Julian Stratenschulte (dpa)
Asylantrag / © Julian Stratenschulte ( dpa )
Quelle:
KNA