Verdi-Beschwerde zum kirchlichen Arbeitsrecht zurückgewiesen

"Zurück auf Los"

"Zurück auf Los" - So könnte der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum kirchlichen Arbeitsrecht gedeutet werden. Karlsruhe wies eine Verfassungsbeschwerde von Verdi zurück. Doch der Streit könnte weiter gehen.

Autor/in:
Michael Jacquemain
Kirchliches Arbeitsrecht (dpa)
Kirchliches Arbeitsrecht / ( dpa )

Der Streit zwischen Gewerkschaften und Kirchen über deren eigenes Arbeitsrecht wird weiter gehen. Das Bundesverfassungsgericht wies in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss die Verfassungsbeschwerde der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts als unzulässig zurück, zeigte aber zugleich einen möglichen weiteren Weg der juristischen Auseinandersetzung auf.

Hintergrund ist das mit dem sogenannten Dritten Weg verbundene Streikverbot in kirchlichen Einrichtungen. 2013 hatten die höchsten deutschen Arbeitsrichter in Teilen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Ärztegewerkschaft Marburger Bund Recht gegeben, obwohl sie zu Arbeitskämpfen aufgerufen hatten, was nach dem kirchlichen Dienstrecht bis dahin nicht möglich war.

Zwar dürften die Kirchen ihr Arbeitsrecht in paritätisch besetzten Kommissionen und mit Hilfe eines Schlichters aushandeln, so das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Allerdings gelte das "nur, soweit Gewerkschaften in dieses Verfahren organisatorisch eingebunden sind und das Verhandlungsergebnis für die Dienstgeberseite als Mindestarbeitsbedingung verbindlich ist".

Verdi "nicht beschwerdebefugt"

Beide Seiten hatten den Richterspruch damals als Erfolg verbucht. Weil der Gewerkschaft aber eine Reihe von Ausführungen in dem Urteil nicht passten, rief sie Karlsruhe an. Der Zweite Senat unter Leitung von Bundesverfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle entschied nun, eine Verfassungsbeschwerde könne nur der einlegen, der "selbst, gegenwärtig und unmittelbar" in einem Grundrecht betroffen sei. Nach diesen Maßstäben sei Verdi in Karlsruhe nicht beschwerdebefugt.

Doch das Bundesverfassungsgericht weiß, dass die Frage des kirchlichen Sonderwegs damit nicht gelöst ist. Zu viel hängt für beide Seiten davon ab: Die Kirchen pochen auf ihr im Grundgesetz verbrieftes Selbstbestimmungsrecht. Die Gewerkschaften pochen auf das in der Verfassung verbriefte Streikrecht und hoffen in Zeiten des Mitgliederschwunds auf potenzielle neue Mitglieder, die sie in Tarifauseinandersetzungen vertreten könnten. Schließlich sind die Kirchen mit rund 1,3 Millionen Beschäftigten nach dem Staat der größte Arbeitgeber in der Bundesrepublik.

Die Karlsruher Richter zeichneten in ihrem Beschluss den weiteren Weg auf - was sie nicht hätten tun müssen: Eine neue Situation könne sich "erst aus kirchenrechtlichen und satzungsmäßigen Regelungen ergeben, setzt also zwingend weitere Maßnahmen der Kirchen und kirchlichen Einrichtungen voraus". Es sei für Verdi zumutbar, dass sich mit den teilweise bereits an das Erfurter Urteil angepassten Regelungen der Kirchen zunächst die Fachgerichte befassten. Dort und nicht beim Bundesverfassungsgericht muss zunächst geklärt werden, ob die in Erfurt formulierten Anforderungen an die rechtliche Ausgestaltung des "Dritten Wegs" erfüllt sind oder nicht.

Weiterer Gang vor das Bundesverfassungsgericht wahrscheinlich

Erst am Ende eines neuen Rechtsstreits und eines weiteren Urteils aus Erfurt ist ein neuer Gang nach Karlsruhe möglich. Dass es den geben wird, ist wahrscheinlich. Aber bis dahin dürften noch ein paar Jahre ins Land ziehen.

Die letzten Urteile in Sachen kirchlicher Selbstbestimmung dürften Verdi kaum Mut machen. Im Streit um die Kündigung eines Chefarztes in einem katholischen Krankenhaus nach dessen Wiederheirat argumentierten die Richter zuletzt mit der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates. Genau diese Neutralität verwehre es dem Staat, den Glauben und die Lehre einer Kirche zu bewerten - so befremdlich die einzelne Regelung auch erscheinen mag. Gerichte können sich nur darüber hinwegsetzen, wenn ein Arbeitsvertrag "im Widerspruch zu grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen steht". Dieser Maßstab könnte auch bei der Frage des Streikrechts der entscheidende Maßstab sein.

 

 

Quelle:
KNA